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Medien: Der Blick von unten

Das Erste mit dem Vierteiler „Damals in der DDR“

Johanna Danschke muss im Juni 1953 erleben, wie ihr Mann nach dem Volksaufstand verhaftet wird. Die Kinder zieht sie danach alleine groß. Wolfgang Engels rast 1963 als junger NVA-Soldat mit einem Schützenpanzerwagen durch die Berliner Mauer, die er zuvor noch selbst mitgebaut hat. Der jugendliche Offiziersanwärter Karl-Heinz Reiche beginnt im Sommer 1989 am System zu zweifeln, nachdem er von einer weinenden Frau als „Schwein“ beschimpft wird – mitten in den Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in Dresden.

Drei von insgesamt 18 Zeitzeugen, die im ARD-Vierteiler „Damals in der DDR“ zu Wort kommen. Menschen, die über ihre persönlichen Erlebnisse im „Arbeiter- und Bauernstaat“ sprechen und sich erinnern, wie das System sie und ihre Familien geprägt hat. Betroffene, die berichten, wie sich die großen historischen Ereignisse von der Staatsgründung über den Arbeiteraufstand und den Mauerbau bis hin zur Ära Honecker und den Montagsdemos auf das Leben des Einzelnen auswirkten. Die Produzenten (MDR, WDR und Looks Film & TV) nennen das „einen Blick von unten“, der Geschichte erfassbar machen soll. Es gehe darum, jenseits bekannter Propagandabilder ein „anderes, privates Bild der DDR“ zu vermitteln. Wissen und Wahrheit statt Kitsch und Klischees. Schließlich könne die Geschichte der DDR nicht nur auf FKK, Trabbis und Ampelmännchen reduziert werden, findet MDR-Fernsehdirektor Wolfgang Vietze.

Was die Serie in der Tat von bislang erschienenen DDR-Dokumentationen unterscheidet: In den jeweils 45-minütigen Filmen, jeder fasst ein Jahrzehnt zusammen, kommen nicht nur Personen zu Wort, die als Systemkritiker mit dem politischen Apparat haderten, sondern auch jene Angepassten oder Überzeugten, die selbst Teil dieses Apparates waren. So sprechen beide Seiten über die gemeinsame Vergangenheit. Mitunter verwischen die Grenzen sogar, werden Brüche in den einzelnen Biografien sichtbar.

Vier bis fünf Einzelinterviews gibt es pro Folge, ergänzt wird dieses Material mit historischen DEFA-Filmen und Dokumentaraufnahmen. Die Erinnerungen der Zeitzeugen wurden dagegen mit Schauspielern nachgestellt. Das erinnert ein wenig an Guido-Knopp-Filme, gibt Regisseur Karsten Laske zu, gebe den Zuschauern aber die Möglichkeit, den Zeitzeugen „über die Schultern zu schauen“ und sich das Erzählte genau vorzustellen.

Der Aufwand war enorm. Rund 2000 Requisiten kamen zum Einsatz, damit vom Mantelknopf bis hin zum Schlagstock alles stimmt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn ein bisschen Ostalgie mitschwingt: Im An- und Abspann spielt ein kleines Mädchen mit DDR-Fähnchen. Dazu singt Alt-Rocker Udo Lindenberg „Es war ne lange kalte Zeit. Du wohntest nah und doch so weit.“

Etwa 2,2 Millionen Euro hat das Projekt gekostet, Fördermittel eingerechnet. In Zeiten immer knapper werdender Finanzmittel im öffentlich-rechtlichen Rundfunk viel Geld, sind sich die Macher einig. Deshalb soll „Damals in der DDR“ auch bestmöglich vermarktet werden und ist als Multimedia-Projekt angelegt: Aus dem ARD-Vierteiler wird im nächsten Jahr ein Zehnteiler für den MDR produziert. Außerdem sind bei MDR und WDR mehrere Radio-Features geplant, es werden ein Hörbuch und eine DVD in den Handel kommen. Das Buch zur Serie ist eben erschienen. Auch eine Wanderausstellung (derzeit im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig) und einen umfassenden Internetauftritt (www.damals-in- der-ddr.de) gibt es.

Dass der Vierteiler ein finanzieller Erfolg wird, zeichnet sich schon jetzt ab – 34 Länder haben die Produktion bislang gekauft, darunter Japan, Ungarn, Estland, Polen und die Schweiz. Mit England und Frankreich wird gerade verhandelt.

„Damals in der DDR“: Teil 1: Neubeginn auf Russisch, Montag, ARD, 21 Uhr 45. Danach immer montags.

Kathrin Schich

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