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Medien: „Der Dom steht ja immer noch“

TV-Moderator Ranga Yogeshwar über Al Gore, das Thema Klimaschutz im Fernsehen und die kostbare Zeit vor der „Tagesschau“

Herr Yogeshwar, kennen Sie Al Gore persönlich?

Ich hab ihn mal bei einem Vortrag erlebt. Den Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit“ von Regisseur Davis Guggenheim, der ja auch ein multimedialer Dia-Vortrag mit Al Gore zur Klimaveränderung ist, konnte ich noch nicht sehen. Gewisse Wahrheiten in Sachen Umweltschutz sind allerdings schon länger bekannt. Die Menschen werden offenbar erst dann wieder darauf aufmerksam, wenn sie ein ehemaliger amerikanischer Vizepräsident verkauft.

„Eine unbequeme Wahrheit“ ist der dritterfolgreichste Dokufilm aller Zeiten. Andererseits werden Al Gore auch Personalityshow und Vereinfachungen vorgeworfen, was die Gründe der Klimakrise betrifft.

Nicht nur die Menschen, auch die Medien scheinen mit dem Thema Klimaveränderung ein Problem zu haben. Es gibt ja eine Geschichte solcher Filme. Denken Sie an „The Day After Tomorrow“.

Der Öko-Thriller von Wolfgang Petersen.

Genau. New York nach der nächsten Eiszeit. Der illustrierte den Klimawandel in ähnlichen Hollywood-Kategorien wie bei Al Gore, mit Special Effects und so. Da gibt es auch Sachen, die so nicht stimmen. Die Freiheitsstatue widersteht einer Tsunamiwelle von 50 Metern problemlos.

Vielleicht muss man in solchen Filmen, in den Medien überhaupt übertreiben, um die Öffentlichkeit aufzurütteln.

Das mag sein. Als Zuschauer sind wir ein bisschen von diesen Götterdämmerungsszenarien traumatisiert. Wenn Sie in den späten 70er Jahren ferngesehen haben, verging kaum ein Abend, ohne dass irgendwo die Welt unterging. Es gab diesen Film „Smog“, es gab Sachen über den Regenwald. Vielleicht war das damals ein bisschen zu viel, was heute zu wenig ist. Das ist ein Grundproblem: Wissenschaftliche Prozesse in der Natur und der Medienbetrieb – beides lässt sich schwer vereinbaren.

Was heißt das konkret?

Medien müssen möglichst schnell sein, möglichst abwechslungsreich, und sie haben immer wieder die Tendenz, zu überzeichnen. Das Klima ist verglichen damit ein langsamer Prozess, der medialen Kategorien nicht genügt.

CO2-Werte sind nicht sexy.

Es ist ziemlich unspektakulär zu zeigen, dass CO2-Werte ansteigen. Da sind wir Wissenschaftsjournalisten schon glücklich, dass wir das Abschmelzen der Gletscher haben, das wir mit alten Fotos vergleichen können. Oder auch Bilder aus dem Weltraum zur Abholzung bestimmter Regenwälder oder Austrocknung des Aralsees. Ansonsten haben wir die Schwierigkeit, dass der Klimawandel genauso unsichtbar ist wie das CO2, das aus den Auspuffrohren der Geländewagen kommt.

Man könnte ja einfach erklären, wohin das führt.

Das ist die zweite Schwierigkeit in den Medien: Ursache und Wirkung in einer eindeutigen und einfachen Kausalkette darzustellen. In anderen Bereichen, zum Beispiel Service und Gesundheit, ist das anders. Wo man den Zuschauern sagt: Tu das, und dann ändert sich was. Menschen freuen sich immer, wenn sie diese Art von Rückkopplung bekommen. Beim Thema Klimawandel funktioniert das noch nicht. Wenn ich morgen umstelle auf ein anderes Auto oder auf gar kein Auto, dann spüre ich nicht: Wow, du hast das und das geändert! Anders in den 80er Jahren, da war ja Umweltschutz Topthema, nicht nur in den Wahlkämpfen. Tschernobyl, Kälbermast, Hormonskandale, Lebensmittelfarben: kein Abend ohne derlei Berichte in einem politischen Magazin. Das ging direkt in den Alltag der Bürger.

Müsste es nicht wieder Aufgabe der Medien sein, unbequeme Wahrheiten und den Alltag der Bürger zusammenzubringen?

Demnächst machen wir bei „Quarks & Co.“ eine Sendung zum Thema Klima. Wir sprachen eben von Special Effects. In der Redaktion fragen wir uns: Wenn man oft genug ein Szenario übertreibt, entschärft man das ganze Thema. So dass der Bürger am Ende sagt: Der Dom steht ja noch, obwohl die im Fernsehen gesagt haben, Köln wird unter Wasser liegen.

Dennoch, Umwelt- und Wissensmagazine im Fernsehen sind an einer Hand abzuzählen. Wie ist das mit dem öffentlich-rechtliche System und seinem Programmauftrag?

Es fehlt die Berichterstattung in der Fläche. Die Wissenschaft in der ARD ist auf Sonntagnachmittag positioniert wurden. Da erreichen wir mit „W wie Wissen“ zwar zwei Millionen Zuschauer. Dort kann ich aber nicht mit den harten journalistischen Kriterien kommen wie abends, wo Leute eher bereit sind, Informationen zu akzeptieren. Vor allem dann, wenn „Brennpunkt“-Bilder vom Tsunami oder Hurrikan „Katrina“ laufen.

Weihnachtszeit ist Wunschzeit, Herr Yogeshwar. Man könnte eines der sechs politischen ARD-Magazine durch ein weiteres Wissenschaftsmagazin ersetzen.

Dann schreien wieder alle. Das ZDF ist in der Farbe Wissenschaft besser aufgestellt. Immerhin mache ich mit Frank Elstner zusammen im Ersten vier Mal im Jahr „Die große Show der Naturwunder“. Am Alltag der Bürger, an der ethischen Haltung der Menschen in Sachen Ökologie ändert das aber eher wenig.

Wie wäre es mit drei, sagen wir, grünen Minuten vor der 20-Uhr-„Tagesschau“? Um ein paar Millionen Zuschauern die Welt zu erklären; den Zusammenhang vom Gebrauch dieser oder jener Autos und der Klimaerwärmung oder Glühbirnen und Energiesparen oder …

… tu das, und dann ändert sich das, ja. Wir müssen unsere Lebensstandards verändern. Und dass man trotzdem mit ökologischem Handeln auch ein glücklicherer Mensch werden kann. Keine unbequeme Wahrheit. Eine großartige Idee.

Das Gespräch führte

Markus Ehrenberg

„W wie Wissen“, ARD, 17 Uhr 03

Ranga Yogeshwar , 47, populärer Wissenschafts-TV-Moderator, u.a. auch: „Quarks & Co.“ (Dienstag, WDR,

21 Uhr). Studium der experimentellen Physik, seit 1987 Redakteur beim WDR.

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