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Medien: Der Kampf um die Köpfe

Donald Rumsfeld gegen Dustin Hoffman: Die Amerikaner nutzen das deutsche Fernsehen für Krieg und Frieden

Von Claus Hinrich Casdorff

Strohtrocken war das, was sich die feindlichen Brüder USA und Deutschland in den letzten Wochen in ihren offiziellen Bekundungen zur Irak-Krise um die Ohren geschlagen haben. Keine Annäherung, kein Versuch zu einem Kompromiss, dagegen persönliche Kränkungen. Das Verhältnis zwischen Amerikanern und Deutschen auf dem absoluten Tiefpunkt.

Doch das ist nur die eine, die amtliche Seite. Eine Etage tiefer sieht das schon ganz anders aus. Nämlich dann, wenn die beiden Kontrahenten die von ihnen so hoch eingeschätzten Massenmedien als Sprachrohr benutzen. So war der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nicht wiederzuerkennen, als er nach seinem missglückten Vergleich zwischen Deutschland, Kuba und Libyen Gast bei der deutschen Talklady Sabine Christiansen war. Da strahlte er angelernte Freundlichkeit aus, wenn er die Fragen der ARD-Moderatorin beantwortete. Ein Minister, der am liebsten seine deutsche Herkunft hinausposaunt hätte.

Ein zweites Beispiel: Während die Administration in Washington Gift und Galle spuckte, nutzten ihre Lieblingskinder – die Film- und Fernsehschaffenden – eine Reise nach Berlin, um mit Appellen und Statements gegen den drohenden Irak-Krag zu protestieren. Minutenlang brauste der Beifall durch den Saal, als der Schauspieler Dustin Hoffman bei der Berlinale seine überaus scharfe Klinge gegen seinen eigenen Präsidenten führte und der Regierung der USA vorwarf, sie habe seinerzeit den Vietnam-Krieg mit einer Lüge begonnen und sei jetzt offenbar bereit, wieder mit einer Propaganda-Aktion einen furchtbaren Krieg vom Zaun zu brechen. Unter den Zuhörern, die Dustin Hoffman zujubelten, waren so internationale Stars wie Christopher Lee, Roger Moore und Faye Dunaway. Die deutschen Gäste sparten ebenfalls nicht mit Beifall.

In unserem Heimatland sieht es aber auch nicht viel anders aus. Wer sich einen Namen als Filmheld gemacht hat, scheut sich keineswegs, sein Missfallen an der eigenen Regierung zu bekunden, vor allem, wenn er sich dadurch eine noch größere Popularität verspricht.

Die Bedeutung der Massenmedien steigt in beiden Ländern gleichermaßen, und sie ähnelt sich immer mehr. Mein hochgeschätzter Lehrherr in den ersten Nachkriegsjahren, Peter von Zahn, hat mir einmal gesagt: Alles, was in den USA als Neuheit erfunden wird, hat fünf Jahre später auch in Deutschland einen festen Programmplatz. Das ist eine Voraussage, die sich inzwischen hundert Mal bestätigt hat. Wir haben die scheußlichen Soap-Operas genauso übernommen wie die endlosen Talk-Shows, die blutrünstigen Kriminalfilme, die billigen Serienproduktionen und den Versuch, Langeweile dadurch zu übertünchen, dass auch ein zweitklassiger Name von einem bezahlten Publikum mit donnerndem Beifall begrüßt wird.

Aber, es wäre ungerecht, wenn wir nur den Schund als Teil des deutschen Fernsehprogramms angesiedelt hätten. Von den Amerikanern haben wir auch gelernt, was wichtige politische Informationssendungen sind, mit welcher Akribie sie jenseits des Atlantiks hergestellt werden. Ein Musterbeispiel ist der Sender CNN. Der sendet Berichte aus aller Welt, die von höchstem Standard sind, die von glaubwürdigen Moderatoren beiderlei Geschlechts kommentiert werden, deren Lebenserfahrung schon an ihrem Alter abzulesen ist. Die „tanzenden" deutschen Kollegen sind gegen sie ein Graus (wenn sie wenigstens der deutschen Sprache mächtig wären).

CNN hat inzwischen auch Ableger in der Bundesrepublik. Sie müssen aber noch viel tun, um ihrem reichen Vorbild mit Erfolg nachzueifern. Wie schwer das ist, hat in den letzten Monaten die Deutsche Welle erfahren, deren – kostenpflichtiges – Nachrichtenprogramm für die USA wenigstens im Augenblick noch ein Reinfall ist. „German TV" findet in den Staaten nur wenige Liebhaber. Und auch n-tv und Phönix haben große Schwierigkeiten, ihre Zuschauerzahl in die Höhe zu treiben. Der Deutsche sieht eben lieber den „Seerosenteich" als die Übertragung einer Bundestagsdebatte mit der Regierungserklärung von Gerhard Schröder und der spitzfindigen Antwort von Angela Merkel.

Der Kampf um die Massen wird in den nächsten Wochen bisher ungeahnte Ausmaße annehmen, wenn es, was Gott verhüten möge, zu einem amerikanischen Angriff auf den Irak kommen sollte. Dort und in den angrenzenden Staaaten wimmelt es schon heute von Journalisten und Kameramännern aus allen Teilen der Welt. Amerikaner und Deutsche sind dabei reichlich vertreten. Sie wissen hoffentlich, dass sie Kopf und Kragen riskieren und das alles nur, um den Sensationsdrang der Zuschauer zu befriedigen. Typisch deutsch ist dabei allerdings der Zank um die Frage, welcher Sender der ARD dabei die Federführung oder die Leitungsfunktion haben soll. Von Kooperation – auch mit den Amerikanern – ist dabei nichts zu spüren.

Fernsehen in den USA und in Deutschland. Zwei Giganten mit Millionen von Zuschauern. Zwei Medien, die einen ungeheuren Einfluss auf die öffentliche Stimmung haben, die von den Politikern wichtiger genommen werden als alle Kommuniqués. Mögen sie in Zukunft noch vorsichtiger mit ihrer Macht umgehen, als sie das gegenwärtig tun. Ein Dustin Hoffmann macht noch keinen Sommer. Aber er hat bewiesen, dass ein einziger Mann die Welt aufrütteln kann, wenn seine Botschaft von den Fernsehsendern verbreitet wird.

Claus Hinrich Casdorff

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