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Deutsche Sprache, schwere Sprache: Fitness, Wellness, Coolness

Warum die Deutschen Anglizismen lieben.

„Buenos Aries“ sagt die Witzfigur Del Boy statt „good night“ in der britischen Serie „Only Fools and Horses“. Seine Versuche, sich elegant mit französischen oder spanischen Redewendungen darzustellen, schlagen ständig fehl und gelten als Running Gag. In einer Komödie ganz in Ordnung. Weniger lustig ist, dass in Deutschland ähnliches getrieben und dabei ernst gemeint wird. Als Vertreter der englischen Sprache wird mir manchmal übel, wenn ich ihren Missbrauch mitbekomme. Und das lässt sich weder durch FitnessDrinks noch Wellness-Food lindern.

Da fangen die Probleme schon an. Eine Google-Suche für Wellness ergibt 11,1 Millionen Seiten aus Deutschland und nicht mal ein Sechstel davon aus Großbritannien. Solange die deutschen Kunden das aber nicht wissen, muss es die Hersteller von Wellness und Fitness kaum stören.

Diese Faulheit, sich hinter englischen Wörtern zu verstecken, hat beim Privatfernsehen jede Hemmschwelle überschritten. Ignorant beharren Senderchefs darauf, dass „talk talk talk“ weniger langweilig als „Gerede Gerede Gerede“ klinge. Weil es Englisch ist. Dabei wirkt der Titel „Germany’s Next Topmodel“ etwas wie Englisch und etwas wie anglisiertes Deutsch. „Topmodel“ zusammengeschrieben deutet auf Deutsch hin, aber warum das englische „Next“ und der Apostroph? Man fragt sich, ob sich die Marketingkollegen im Klaren darüber sind, in welcher Sprache sie schreiben. Es reicht ihnen wohl zu wissen, dass das Wort Deutschland heutzutage völlig out ist.

Englisch ist jedoch in. Deswegen hält sich der Musiksender Viva an den Reimspruch „Hot or Not?“, obwohl in England dieses Klischee schon vor Jahrtausenden seine Frische verloren hat. Die Annahme, die deutsche Sprache sei nicht knackig genug, ist allerdings falsch. Statt „Hot or Not“ wären „Heiß oder Sch…“ oder etwa „Habicht oder gar nicht“ durchaus möglich. Noch konfuser ist die Beschreibung einer Sendung auf der MTV-Webseite: „Shit! Haufenweise kranke Videos aus der Show gibt es hier.“ MTV schreckt vor nichts zurück. Wenn ein Star eine neue Single in den Charts hat, voten die Fans für den Clip, bevor sie den Track downloaden oder ein Ticket für den Gig getten. Solches mag zwar übertrieben sein, aber im Wesentlichen ist es nicht schlimm. Viel fragwürdiger ist, ob der gewünschte Flavour erzeugt wird. Happy Hours müssen nicht zwangsläufig zu fröhlichen Stunden führen.

Die Sprache mit Anglizismen zu würzen, auch wenn sie überflüssig, inkorrekt oder gar dem gewollten Sinn zuwider laufen, lässt sich meistens auf die Sehnsucht nach Coolness zurückführen, ein Wort, das einem Engländer selten aus dem Mund fällt.

Stephen Bench-Capon

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