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Medien: Die Bild-Störung

Nach den „100 Meisterwerken“: Warum die bildende Kunst im Fernsehen nur ein Nischenprogramm ist

Die „Fernsehgalerie“ des Amerikaners Gerry Schum war eine kleine Revolution: Künstler schufen ihre Werke vor laufender Kamera, und das Fernsehen zeigte das zur besten Sendezeit. Die Sendung, die Ende der 60er im SFB und Südwestfunk lief, veränderte Kunst und Fernsehen gleichermaßen. Schum wollte Kunst einem breiten Publikum zugänglich machen. Eine Demokratisierung der Kunsterfahrung im Sinne der 68er. Das war die Geburtsstunde des Fernsehens als künstlerisches Medium und der Videokunst.

Doch die Wahlverwandtschaft von Elitekunst und Massenmedium war eine Allianz auf Zeit. Die bildende Kunst fristet im modernen Fernsehen ein Nischendasein. In einer Zeit, in der die Menschen seit Monaten für die MoMA-Ausstellung vor Berlins Neuer Nationalgalerie Schlange stehen; in der Bestseller-Autor Florian Illies ein Reportage-Magazin für Kunst – „Monopol“ – gegründet hat; in dieser Zeit, in der, wie Illies glaubt, die Kunst boomt, kommt sie im Fernsehen noch seltener vor als etwa Theater oder Oper. Woran liegt das? Was hat das Verhältnis von Kunst und Fernsehen für eine Geschichte?

In den 80er erlebte die Kunstvermittlung des Fernsehens ihren Höhepunkt. Im Jahrzehnt zuvor hatte sie ihren Platz im puritanischen Belehrungsfernsehen. Dann wurden die „100 Meisterwerke“ erfunden: Mit einem traumhaften Sendeplatz, sonntagabends zur Primetime, manövrierte das anspruchsvolle Unternehmen in kompakten zehn Minuten zwischen Bildungsniveau und populärem Bedürfnis. „Ein Kunstwerk pro Sendung“ lautete das einfache Prinzip, das der WDR von der BBC übernommen hatte. Der Erfolg sorgte für Nachahmer auch unter den Privatsendern, so dass RTL bald eine ähnliche Sendung mit dem Titel „Kunst und Botschaft“ ins Leben rief.

Aber in den 90ern ebbte der Enthusiasmus ab. Sogar die „100 Meisterwerke“ wurden 1995 eingestellt. Wibke von Bonin, ehemals Redakteurin der „100 Meisterwerke“, beschreibt mit unverkennbarer Resignation den Wandel: „Das ruhige Kunst-Feature ist von kulturpolitischen Reportagen verdrängt worden. Die Gattung des Künstlerporträts ist vom Aussterben bedroht.“ Karl Renner, Professor für Fernsehjournalismus an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, nennt als Grund dafür eine Entwicklung „vom Elitefußballern zum All-Zuständigkeitsfeuilleton, das die gesamten Kulturprozesse als Kunst begreift“. Randzonen des klassischen Kulturbegriffs, allen voran die Kulturpolitik, rücken immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei werden Verflechtungen mit Politik und Wirtschaft durch Themen wie „Raubkunst“ oder „Kunst-Sponsoring“ zunehmend kritisch beäugt.

Formen der klassischen Kunstvermittlung wie die Bildbeschreibung haben es dagegen schwer. Nicht zuletzt wegen ihrer ruhigen Kameraeinstellungen, die durch die Beschleunigung der Sehgeschwindigkeit immer mehr außer Mode geraten. Fernsehen will dynamische Bilder, es will seinen Gegenstand zu einer erzählbaren Geschichte umformatieren. Renner sagt: „Das ganze Fernsehen entwickelt sich zu einer Storytelling-Maschine, und damit kann man künstlerische Themen auf deskriptive Weise häufig kaum mehr adäquat behandeln. Hier findet eine Verengung statt, zu der die Spezifik des Mediums – die bewegten Bilder - beiträgt.“

Die Geschichten, die das Fernsehen erzählt, müssen in der Lebens- oder Vorstellungswelt des Zuschauers verankert werden. Der thematische Anker wird schnell zum Köder, der sich gerade mit Spektakulärem gerne das Interesse der Zuschauer sichert. Die Grenzen zwischen Kultur und Lifestyle, Bildungsanspruch und Unterhaltung weichen auf. Und nicht zuletzt wird Kunst auch als Event inszeniert: Wenn bei der „Documenta“ in Kassel oder der „Biennale“ in Venedig mehrere hunderttausend Besucher in die Ausstellungshallen strömen, richtet das Fernsehen seine Scheinwerfer mit Vorliebe auch auf die Prominenz und ihr Spektakel vor dem Musentempel.

Eine problematische Allianz also, die sich zwischen Kunst und Fernsehen über Jahre und Jahrzehnte entwickelt hat. Für Karl Renner ist die Situation von heute eindeutig: Erstens ist zeitgenössische Kunst sehr hermetisch und daher schwer vermittelbar. Zweitens sieht das kunstinteressierte Publikum selten fern, wodurch die Kunstsendungen schlechte Einschaltquoten erzielen. Und drittens wird die Kunst dadurch immer mehr in Spartenkanäle ausgelagert. – Da ist eine doppelte Portion Optimismus nötig, wie sie Kunstredakteur Michael Stefanoswki an den Tag legt: „Kunst ist ewig, das wissen wir doch.“

Katharina Deloglu

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