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Medien: „Die CSU geht erst mit der Welt unter“

Dieter Hildebrandt über Katastrophen, die Renaissance des Kabaretts und die Reden der Kanzlerin

Herr Hildebrandt, in 13 Jahren geht die Welt unter. Was nun, Herr Kabarettist?

In der „Süddeutschen“ stand im Gegensatz zur „Abendzeitung“, dass es doch noch Möglichkeiten geben soll zu überleben. Eine Lösung wäre zum Beispiel, ab dem Jahr 2020 kein Klima mehr auszustoßen. Also: nichts mehr ausstoßen!

Das schaffen Sie nicht. Sie stoßen doch schon seit mehr als 50 Jahren aus.

Ich glaube aber nicht, dass das, was ich ausstoße, etwas mit CO2 zu tun hat. Ich habe zwar noch nicht gerochen an dem, was ich sage, aber möglicherweise bewirkt es genau das Gegenteil: Es hilft vielleicht.

Kabarett soll ja etwas Reinigendes haben.

Das glaube ich nicht. Uns hat man immer wieder vorgeworfen, wir würden das eigene Nest beschmutzen. Wo wir doch nur versucht haben, das Nest rein zu halten. Aber irgendjemand scheißt immer wieder rein, keine Ahnung, wer das ist.

Sie kennen sich mit Apokalypsen aus: Was sagen Sie zur CSU? Wann ist die Partei am Ende?

Das wird, so wie es aussieht, mit dem Ende der Welt zusammenfallen. Das Phänomen dieser Partei ist allerdings, dass sie sich zerlegen kann, so oft sie will, sie sammelt die einzelnen Teile am Ende doch immer wieder ein und macht daraus ein neues Ganzes, das immer, da kann man überhaupt nichts machen, 50 plus ergibt.

Sie wollen sagen, dass wir die CSU nie mehr loswerden?

So ist es. Die CSU ist die absolute Volkspartei. Und weil es nur dieses eine Volk gibt, wird es auch nie anders werden.

Wie halten Sie es aus mit diesem Volk?

Mit hinhaltendem Widerstand. Jeder weiß ganz genau, was ich sage. Deshalb habe ich jetzt auch schon lange nichts mehr gesagt.

Sie könnten doch frei reden. Sie haben sich jetzt sogar vom Fernsehen verabschiedet.

Das ist nicht wahr. Ich habe dem ZDF erst neulich wieder gesagt, dass es noch so etwas wie politisches Kabarett gibt.

Ist die Botschaft angekommen?

Ich würde sagen ja. „Neues aus der Anstalt“ ist sehr gut angekommen, auch wenn noch einiges zu verbessern wäre. Drei Millionen Zuschauer sind schon was.

Das Publikum will wieder politisches Kabarett?

Ich habe in all den Jahren nie gehört oder gelesen, dass das Publikum es nicht gewollt hätte. Es wollte es immer. Es bekam es nur nicht. Aber jetzt war der Ruf wohl selbst für die Herren in der Anstalt nicht mehr zu überhören.

Urban Priol ist der Anstaltsleiter. Was macht er besonders gut?

Er ist ein wacher Mensch, der über das politische Geschehen bis auf die letzte Sekunde genau informiert ist. Dem können Sie drei Minuten vor der Sendung irgendeine eine Meldung in die Hand drücken und er wird Ihnen eine Pointe liefern. Das zeichnet einen politischen Kabarettisten aus.

Haben Sie Priol nach der ersten Sendung etwas geraten?

Ich halte mich da raus. Ich möchte nicht den Elder funmaker spielen. Fragt mich jemand, gebe ich Antwort. Fragt keiner, halte ich meinen Mund.

Hat Urban Priol Ihr Erbe angetreten?

Unter Kabarettisten gibt es nichts zu vererben. Jeder ist das, was er ist. Oder er ist nichts. Ich habe auch niemanden beerbt, obwohl manche gesagt haben, ich hätte das Erbe von Werner Finck angetreten. Es wäre schön gewesen, wenn ich nur die Hälfte von dem gekonnt hätte, was Finck konnte. Wer eine eigenständige Ausstrahlung hat, der braucht niemanden zu beerben.

Erlebt das klassische politische Kabarett zurzeit eine Renaissance?

Ja, und sie musste notwendigerweise kommen. Nach der Schwemme des reinen Spaßes, der ja auch sein muss, nach dem großen Lachen, wie Neuss das nannte, bei dem 60 000 im Olympiastadion zusammen lachen, musste es wieder anders kommen. Das geht gar nicht anders. Der angebliche Niedergang des politischen Kabaretts ist ohnehin eine Erfindung der Presse. Es hat ihn nie gegeben. Die Säle waren immer voll. Nur die Journalisten sind nicht mehr gekommen.

Eine Frage zwischendurch, da wir Sie so angenehm hüsteln hören: Was halten Sie vom Rauchverbot?

Wenn Sie mittags an den Gebäuden von großen Versicherungen oder Banken vorbeifahren, dann sehen sie da Menschen, die sich unter kleine Vordächer ducken und in zugigen Ecken Schutz vor dem Wind suchen, lauter Leute, die hektisch an irgendetwas saugen, weil sie unter unglaublichem Zeitdruck stehen. Das allein hat so viel Unwürde, dass ich, wenn ich rauchen würde, überlegen müsste, ob ich mich nicht in eine Entziehungsanstalt begeben würde.

Ganz klar: Rauchverbot verstößt gegen die Menschenwürde.

Jedes Verbot verstößt gegen die Menschenwürde. Rauchern Schilder vor die Nase zu hängen, dass sie hier nicht rauchen dürfen, ist nicht nur blöd, sondern auch komisch.

Worüber lachen Sie zurzeit am meisten, außer übers Rauchverbot?

Ach, auch eine Rede unserer Bundeskanzlerin ist mir immer wieder Grund zur Heiterkeit. Sie schiebt immer diese großen Sätze vor sich her wie diese kleinen Käfer einen Ballen Mist. Das kriegt sie einfach nicht in den Griff.

Über wen in der Regierung wird viel zu wenig gelacht?

Mir fällt da immer wieder ein gewisser Herr Pofalla von der CDU auf. Ich frage mich immer, wo ein Politiker dieser Qualität herkommt und wie um Gottes willen er es schafft, sich zu halten. Dieser Mann sagt zu allem etwas, und man hört zu allem nicht mehr zu. Ich muss inzwischen immer schon lachen, noch bevor er etwas gesagt hat. Ein richtiger Komiker.

Haben Kabarettisten und Politiker nicht auch viel gemeinsam?

Wenn Sie damit meinen, dass beide eine Bühne für Ihre Auftritte brauchen, dann haben Sie sicher recht.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

„Neues aus der Anstalt“, 23 Uhr, ZDF

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