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Medien: Die DDR als Showroom

Wolfgang Becker, Regisseur von „Good Bye, Lenin!“, über die Ostalgiewelle

WOLFGANG BECKER, 1949 im Sauerland

geboren, drehte 1997 seinen ersten Kinofilm „Das Leben ist eine Baustelle“. „Good Bye, Lenin!“ wurde 2002 auf der Berlinale ausgezeichnet. Foto: dpa

Herr Becker, die Welle der OstalgieShows reißt nicht ab. Hätten Sie als Regisseur von „Good Bye, Lenin!“ gedacht, dass Ihre Filmerzählung vom sanfteren Ende der DDR eine solche Lawine auslöst?

Ich sehe den Film nicht als Urheber der Ostalgie-Welle, die ich für eine Medienerfindung halte. Lawine stimmt höchstens in dem Sinne, als ein einzelner Skifahrer durchaus ein Schneebrett abzulösen vermag – wenn die Voraussetzungen gegeben sind.

Und die wären?

In Zeiten, in denen man sich nicht wohl fühlt – angesichts der Staatsschulden, der Arbeitslosenzahlen, der unsicheren Renten und der harten Reformen hat viele die Existenzangst gepackt – in solchen Zeiten blickt man gerne auf die Vergangenheit zurück. In der war nicht alles besser, aber das blendet die menschliche Psyche gerne aus. Trotzdem haben die Shows in meinen Augen nicht viel mit „Good Bye, Lenin!“ zu tun. Man hängt sich an den Erfolg des Films und reduziert ihn auf Hallorenkugeln und Pittiplatsch, auf signifikante Requisiten eines untergegangenen Landes. Aber der Film selbst macht aus der DDR kein Panoptikum, sondern setzt sich mit eben der Schwierigkeit auseinander, Abschied zu nehmen.

Der Überraschungserfolg von „Good Bye, Lenin!“ spricht aber auch dafür, dass die Zeit für einen versöhnlicheren Blick auf die DDR offenbar reif war.

Mehr als sechzig Prozent unserer Zuschauer sind Wessis; die dürften kaum ostalgisch gestimmt sein. Wir neigen dazu, für überraschende Phänomene einfache Erklärungen zu suchen. Gut, vielleicht ist für einige Jugendliche die DDR tatsächlich wieder hip, aber bestimmt nicht für alle sechs Millionen Zuschauer, die den Film gesehen haben.

Die DDR als Pop-Phänomen?

In den Kinos, wo „Good Bye, Lenin!“ lief, standen oft Vitrinen mit aufbewahrten Alltagsgegenständen. Sie sind wichtig für unsere Selbstvergewisserung. Stellen Sie sich vor, Sie gehen in den Supermarkt, und alles ist neu. Es gibt keine Nutella mehr. Dann werden Sie auch wehmütig, wenn Sie zehn Jahre später an Nutella erinnert werden, selbst wenn Sie sie nicht gerne mochten. Geschmack und Geruch sind ja extrem erinnerungsauslösend, noch mehr als Bilder. Es gibt jetzt Hemdenfarben, die original an die DDR-Tapetenmuster der 70er erinnern. Wobei es Geschmacklosigkeiten dieser Art auf beiden Seiten der Mauer gab; im Westen trug man die Schlaghose ein bisschen früher. Wiederholungen und Verklärungen gibt es übrigens nicht nur im Zusammenhang mit der DDR. Die Kids laufen heute mit Che-Guevara-T-Shirts herum: Sie wissen über Che nur, dass er Revolutionär war und gut aussah. Aber er hat fast Jesus-Status bei ihnen.

Woher rührt unser Bedürfnis nach verklärender Erinnerung? Ihr Film handelt ja nicht zuletzt von diesem Bedürfnis.

Den Abschied von der DDR hatten wir nicht im Sinn, als wir vor drei Jahren mit dem Projekt anfingen. Aber offenbar ist uns eine Punktlandung gelungen, vielleicht weil wir die Ostdeutschen nicht vorführen, nicht zum Objekt eines West-Lachens machen, sondern ein wiedervereinigtes, gemeinsames Lachen auslösen wollten. Die Kamera steht immer mittendrin und filmt nicht aus der besserwisserischen Zoo-Perspektive. Deshalb haben sich viele in ihrem alltäglichen DDR-Leben wiedererkannt, in einem Land, das eben nicht nur ein Ort der Stasi-Spione und der Dunkelzellen war.

Die Ostalgie-Shows müssen mengenweise Requisiten auftreiben. Das mussten Sie auch. Gibt es DDR-Requisiten-Depots?

Es gibt mittlerweile in vielen Städten Museen für DDR-Alltagskultur. Die gab es noch nicht, als wir drehten. Aber den Fundus in Berlin-Adlershof gab es bereits. Unser Szenenbildner Lothar Holler hat überall gesucht und selbst Dinge wie Kühltruhen für unsere Kaufhalle und den Original-DDR–Krankenwagen aufgetrieben. Mau sah es bei Lebensmitteln aus, wegen des Verfallsdatums. Wir dokumentieren für unsere Making-Of-DVD (erscheint am 18. September/ d. Red.) gerade unsere Recherchen und waren deshalb wieder in Adlershof. Was dort alles in den Regalen steht!

Und von den Ost-Shows nun gebraucht wird.

Als wir vor ein paar Wochen dort drehten, kamen ständig Mitarbeiter der Shows und Trendscouts, die hippe Muster im Kostümfundus suchten. Die wollen dann die Vermietungsliste von „Good Bye, Lenin!“: Alles aus dem Film ist für sie interessant. Unser Zimmer, 79 Quadratmeter DDR mit Schrankwand und Stereoanlage, ist ein Showroom geworden. Den kann man mieten, für 300 Euro oder so. Er war bereits mehrfach auf Tour durch ganz Deutschland, auf Parties und Firmenpräsentationen. Wir hatten Mühe, unser eigenes Zimmer nochmals zu drehen. Es ist ständig unterwegs, so beliebt ist es. Dabei sind wir doch eigentlich heilfroh, dass niemand mehr in so einem Zimmer leben muss.

Das Gespräch führte Christiane Peitz.

„Die DDR-Show“: 21 Uhr 15, RTL

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