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Medien: Die Stille nach dem Paradies

Manchmal sind es kleine Dinge, aus denen sich große Geschichten machen lassen. In ihrem Feature „Zug der Zeit“ erzählen Georg Biemann und Ulrich Land am Beispiel der guten, alten Bahnhofsuhr über Europas Umgang mit der Zeit.

Manchmal sind es kleine Dinge, aus denen sich große Geschichten machen lassen. In ihrem Feature „Zug der Zeit“ erzählen Georg Biemann und Ulrich Land am Beispiel der guten, alten Bahnhofsuhr über Europas Umgang mit der Zeit. Es war die vor einem Jahrhundert Jahren beginnende Epoche der Eisenbahn, die erstmals eine national und später sogar international gültige Zeitmessung erzwang. Ein neuer Zeit-Geist erwachte. Pünktlichkeit wurde zur Tugend, auf die ganze Volkswirtschaften ihren Erfolg gründeten. Biemann und Land porträtieren die stets präzise Bahnhofsuhr als Taktgeber und Symbol dieser dramatischen Umbrüche (Deutschlandradio Kultur, 1. November, 19 Uhr 30, UKW 89,6 MHz).

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Detektiv Gass ist nicht zu beneiden. Zwar hat er kaum berufliche Konkurrenz in Potsdam, aber Aufträge gibt es hier ebensowenig. Nun fehlt ihm sogar das Geld für die Büro-Miete. Im amüsantem Kriminalhörspiel „Der schöne Schein“ von Wolfgang Zander rettet sich Gass in grimmige Weltschmerzmonologe. Bis plötzlich gleich zwei Klienten vor der Tür stehen. Sein Hauswirt, der ihn als Mann fürs Grobe engagieren will, und eine bekannte Serienschauspielerin, die angeblich von ihrem Sohn erpresst wird. Gass treibt durch halbkriminelle Potsdamer Verhältnisse. Nur seine Ironie bewahrt ihn vor Schlimmerem (Deutschlandradio Kultur, 5. November, 15 Uhr 05).

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Im Feature „Sensucht nach Stille“ von Rainer Schildberger hören wir geplagte Großstadtbewohner, die ihre Lärmphobien wortreich ausmalen. Es möge endlich einmal still sein. Draußen in der tobenden Stadt, drinnen in der ewig begehrenden Brust. Der nervenzerfetzende Betrieb der Maschinen möge aufhören, aber auch die Mühen einer unablässig plätschernden Kommunikation. Eine paradiesische Gegenwelt entdeckt Schildberger im Trappistenkloster Mariawald in der Nordeifel. Im Mittelpunkt der mönchischen Ordnung steht das Schweigen. Im Kloster verständigt man sich ausschließlich mit einer stummen Zeichensprache. In Mariawald ist es so still, wie es im Paradies einmal gewesen sein muss (Deutschlandfunk, 5. November, 20 Uhr 05).

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Dass der Schein das Sein bestimmt, sagt einem heute jeder Imageberater. Dabei galten Authentizität und Wahrheitsliebe mal als Inbegriff bürgerlicher Tugenden. Das Erzeugen falscher Selbstbilder gehörte eher zum Berufsleben der Halb- und Unterwelt. Hannah Hofmann und Sven Lindholm befassen sich in ihrem Hörspiel „Alibis“ mit einem paradoxen Wandel unseres Wertempfindens: bestimmte Formen der Täuschung in eigener Sache sind mittlerweile gesellschaftlich akzeptiert, ja beinahe notwendig. Das Hörspiel erzählt von vier notorischen Alibi-Erfindern. Personen, die mit professioneller Raffinesse falsche Fährten legen. Ob es sich bei ihnen um Agenten einer modernen Lebensform handelt, oder um gemeine Verbrecher, lässt das Hörspiel in reizvoller Unschärfe (Deutschlandradio Kultur, 6. November, 0 Uhr 05).

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Wer sich heute um einen guten Job bewirbt, wird notgedrungen zum Bastler an der eigenen Biografie. Dass jedenfalls behaupten Gunnar Luetzow und Ingo Kottkamp in ihrem Feature „Schöne Sachen selber machen“. Basteln ist nicht nur ein harmloses Hobby, sondern mittlerweile auch eine allgemein übliche Form der Existenzbewältigung. Das ganze Leben, so die Autoren, sei zum Bastelbogen geworden. Statt großräumiger Lebenspläne erzwingt der Markt von uns kleinteilige biografische Basteleien. Teure Ausbildungen, unbezahlte Praktika, freiwillige soziale Jahre, unfreiwille Arbeitspausen. In einer Bewerbungsmappe muss das alles dann zu einem respektvoll kontinuierlichen Lebenslauf zusammengebastelt werden (Deutschlandradio Kultur, 8. November, 0 Uhr 05).

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