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Europäisches Urteil: Gebrauchte Software darf weiterverkauft werden

Wer lizenzierte Software weiterverkaufen wollte, bekam bisher Ärger mit dem Hersteller. Es ist aber erlaubt. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof. Was bedeutet das Urteil?

Von Anna Sauerbrey

Wer einen Wintermantel kauft, den er in der nächsten Saison nicht mehr mag, kann das gute Stück getrost zum Secondhandladen tragen. Niemand wird ihn dafür rechtlich belangen. Bei digitalen Gütern, bei Computerspielen, Ebooks, Musikdateien oder Software ist die Rechtslage komplizierter. Hier erwirbt man in der Regel nicht das Ding an sich, sondern lediglich eine Lizenz, die zur Nutzung berechtigt. In der Frage, ob „gebrauchte“ digitale Güter wie ein Mantel weiterverkauft werden dürfen, hat der Gerichtshof der Europäischen Union am Dienstag ein richtungsweisendes Urteil gefällt, zumindest was Software betrifft. Die Richter kamen darin zu dem Schluss, dass der Weiterverkauf unter bestimmten Bedingungen rechtens ist.

Die Richter legten ihre Begründung bewusst grundsätzlich an. Konkreter Anlass war aber ein seit Jahren schwelender Rechtsstreit zwischen dem Softwarehersteller Oracle und dem Münchner Unternehmen UsedSoft. 2003 gegründet, ist UsedSoft nach eigenen Angaben mit einem Jahresumsatz im „hohen einstelligen Millionenbereich“ der größte Händler für gebrauchte Software auf dem deutschen Markt. Das Geschäftsmodell: Braucht ein Unternehmen eine Software nicht mehr, kauft UsedSoft die Lizenzen auf und mit einem ordentlichen Rabatt weiter, in der Regel an andere Unternehmen. Ausgestattet mit der Lizenz lädt der neue „Besitzer“ dann die Software erneut von der Webseite des Softwareherstellers herunter. Zu den Kunden gehören nach Angaben von UsedSoft Edeka, Karstadt und die Stadt München.

Zwar gibt es in Deutschland auch Anbieter, die sich eher auf den Handel von Softwarelizenzen zwischen Einzelpersonen spezialisiert haben und etwa über Ebay an Privatpersonen verkaufen. Nach Einschätzung von Marktkennern findet der Großteil des Handels aber zwischen Unternehmen statt. Wie groß die Umsätze mit gebrauchter Software sind, weiß niemand. UsedSoftware selbst sieht das Potenzial für einen „Milliardenmarkt“. Jedenfalls scheint der Markt groß genug zu sein, um den Softwareherstellern Sorgen zu bereiten.

Gegen das Geschäftsmodell haben bereits mehrere von ihnen geklagt, darunter Microsoft und Adobe. Im Kern geht es um die Frage, ob Downloads aus dem Internet etwas anderes sind als verkaufte CDs. Bislang entschieden deutsche Gerichte – anders als nun der EuGH – meist zugunsten der Hersteller. Im konkreten Fall erwirkte Oracle eine einstweilige Verfügung und klagte dann bis zum Bundesgerichtshof, der Letztinstanz. Der bat den EuGH, die Rechtsgrundsätze der maßgeblichen EU-Richtlinie auszulegen.

Der EuGH begründete seine Entscheidung für das Weiterverkaufsrecht mit dem sogenannten „Erschöpfungsgrundsatz“. Hat der Inhaber der Urheberrechte eine Softwarekopie einmal verkauft, erlöschen damit seine Rechte. Christian Czychowski, ein Berliner Fachanwalt für Informationstechnologierecht, hält das Urteil für grundlegend. „Das Gericht hat gesagt: Daten sind Sachen. Das haben wir so bislang noch nicht gehört“, sagt er.

Gültig ist das Urteil allerdings nur für Software. Auf andere digitale Güter, auf die umstrittenen Musikdownloads zum Beispiel, ist es nicht anwendbar. Das EuGH bezieht sich auf die „Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen“. Im Vergleich zu digitaler Musik und Büchern sind Kopien von Software geringer geschützt. Das hat technische Gründe, denn wer eine Software laufen lässt, erzeugt automatisch eine Kopie im Arbeitsspeicher seines Computers.

Den Markt für gebrauchte Software dürfte das Urteil beleben. Auch Privatkunden, die auf Ebay eine Lizenz kaufen, können nun sicher sein, dass das rechtens ist. Peter Schneider, der Geschäftsführer und Inhaber von UsedSoft, prophezeite prompt weiter sinkende Preise für Software. Der Branchenverband Bitkom befürchtet Folgen für die Herstellerbranche. „Es bleibt zu befürchten, dass sich diese Entscheidung auf die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen negativ auswirkt und digitale Geschäftsmodelle infrage stellt“, sagte Geschäftsführer Bernhard Rohleder. Allerdings machte der EuGH ohnehin einige bremsende Einschränkungen. Das lukrative Aufteilen von Lizenzbündeln in kleinere Pakete etwa untersagte das Gericht.

Das Urteil dürfte die Debatte über die Bedingungen des Verkaufs von digitalen Gütern neu befeuern. Netzaktivisten bemängeln seit langem, dass die Rechte der Käufer von virtuellen Gegenständen stark eingeschränkt sind.

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