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Stefan George

© dpa

Doku über Stefan George: Im Bann des Meisters

Weder verdammt noch verklärt: Eine 3Sat-Dokumentation über den Dichter Stefan George und seine „charismatische Herrschaft“.

Es erscheint zweifelhaft, ob Stefan George noch jenseits akademischer Zirkel auf Interesse stoßen würde, hätte nicht Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg zum sogenannten George-Kreis gehört. Und so geht es natürlich auch in Ralf Rättigs Dokumentation „Stefan George – Das geheime Deutschland“ am Ende um die Haltung des vor 150 Jahren in Bingen am Rhein geborenen Dichters zum Nationalsozialismus, der George gerne vereinnahmt hätte.

Der Lyriker, der sich selbst als Anführer einer geistigen Elite zur Rettung der deutschen Kultur inszenierte, schlug solche Angebote aus. Von politischen Debatten im George-Kreis habe er nichts wissen wollen, sagt dessen Biograph Thomas Karlauf. Und: „Die Judensach ist mir nicht so wichtig“, zitiert er den im Dezember 1933 in der Schweiz verstorbenen George.

Bewegte Bilder scheint es nicht zu geben, aber jede Menge Fotos, auf denen George als strenger, geheimnisvoller Denker posiert, gerne auch umgeben von seinen Jüngern, die ihn anhimmeln. Vor allem mussten sie seine Gedichte lesen, studieren und vortragen.

Der Soziologe Max Weber habe den George-Kreis nach einigen Begegnungen als Sekte verstanden und daraufhin den Begriff der „charismatischen Herrschaft“ begründet, sagt Karlauf. Die Jünger durften sich als Auserwählte fühlen, hatten sich jedoch dem Meister unterzuordnen. Einer berichtet von nicht ganz freiwilligen Umarmungen und Küssen. Es gebe für sexuellen Missbrauch von Jugendlichen keinerlei Belege, heißt es im Film, aber: „Wo fängt Missbrauch an?“, fragt Autor Rättig.

Stefan George wird hier weder verdammt noch verklärt, sondern als begabter, eigenwilliger Charakter im Kontext seiner Zeit geschildert. Was dessen besondere Anziehungskraft ausmachte, warum er zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer mystischen Leitfigur für Teile der bürgerlichen Jugend wurde, vermag der Film freilich nur ansatzweise zu vermitteln, etwa in den Gedichten, die Schauspieler Mark Ortel vorträgt.

Eindrucksvoll auch die Originaldokumente aus dem Stefan-George-Archiv in Stuttgart, die Gestaltung der ersten Bücher im Jugendstil, überhaupt die erkennbare Suche nach eigenen Ausdrucksformen in der Kunst. Zum Glück hat Rättig jedoch darauf verzichtet, historische Szenen wie etwa die Lesungen in der Grunewalder Villa des Verlegers Georg Bondi nachzustellen. Georges Charisma mit den Mitteln einer fernsehüblichen Inszenierung aufleben zu lassen, hätte leicht peinlich werden können.

„Stefan George – Das geheime Deutschland“, 3Sat, Samstag, 21 Uhr 55

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