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Medien: Doppelzüngig

„Fucking“: Für das Free-TV der USA ein verbotenes Wort, beim Pay-TV erlaubt

Von Johanna Rüdiger,

Washington

Die Show von US-Radiomoderator Howard Stern ist einfach: Er interviewt und kommentiert Stripper und Pornosternchen, während sich die „Stars“ vor seinem Mikrophon ausziehen. Ziemlich geschmacklos also – daher kam es für die amerikanische Öffentlichkeit nicht besonders überraschend, als Clear Channel Communications, die größte Radiokette der USA, Sterns Sendung aus ihrem Programm nahm. Schließlich arbeitet der Moderator, der in Deutschland seit 1997 durch den autobiografischen Film „Private Parts“ bekannt ist, in einer Medienlandschaft, in der es verboten ist, vergleichsweise harmlose Wörter wie „Shit“ im Rundfunk zu verbreiten. Das Timing der Radiokette war zudem perfekt: Die Sendung wurde einen Tag vor der zweiten Anhörung des Kongress-Untersuchungsausschusses zum Thema „unanständige und obszöne Sprache in den Medien“ abgesetzt. Der Schaden hielt sich zwar für Howard Stern in Grenzen, da die Show noch auf rund 40 anderen Stationen landesweit ausgestrahlt wird. Aber der Moderator verkündete, er sei ein Opfer in der Kampagne gegen den „Sittenverfall“, die am 1. Februar mit dem Janet Jackson „Busenskandal“ während des Superbowls begonnen hatte.

Doch Janet Jackson rückte die „Sitten“- Debatte nur in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit – ausgelöst hat die Sängerin sie nicht. Zwar fand die erste Anhörung des Kongress-Ausschusses zehn Tage nach dem Enthüllungsdrama statt. Das Gremium entschied dabei unter anderem, dass die Strafgelder für Sender, die gegen die Obszönitätsregeln verstoßen, drastisch erhöht werden müssten. Aber die Sitzung war schon lange vor dem Superbowl einberufen worden, der Jackson-Skandal gab den konservativen Medienkritikern nur die Munition, die ihnen noch fehlte.

Begonnen hatte die Debatte mit dem Sänger Bono bei den Golden Globes 2003. Während der Live-Übertragung der Preisverleihung bedankte sich der Sänger der irischen Rockgruppe U 2 mit dem Satz „This is really, really fucking brilliant“ (etwa: „Das ist verdammt toll“). Weil die Gala im Gegensatz zu der diesjährigen Oscarverleihung noch nicht zeitversetzt ausgestrahlt wurde, konnte der Sender NBC das von der Medienaufsichtsbehörde FCC als obszön eingestufte Wort „fucking“ nicht rechtzeitig ausblenden. Ein Vorfall, der sofort von der FCC untersucht wurde. Denn die frei zugänglichen Broadcast-Networks wie ABC, CBS, Fox und NBC dürfen zwischen sechs und 22 Uhr keinerlei unanständige Sprache senden.

Im Oktober vergangen Jahres entschied die zuständige FCC-Kommission dann, dass es sich bei Bonos Ausspruch um keine Regelverletzung handele. Begründet wurde die Entscheidung damit, der Sänger habe das Wort „fucking“ als Adjektiv und nicht als Verb oder Substantiv benutzt, damit also keine sexuelle Aktivität beschrieben. Eine unerwartete Erklärung, die dem von der Bush-Regierung ernannten, konservativen FCC-Vorsitzenden Michael Powell überhaupt nicht gefiel. Erst der Jackson-Skandal gab Powell, Sohn von US-Außenminister Colin Powell, die Gelegenheit, seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen: Er kündigte an, dass im Zuge der Untersuchung der Superbowl-Show die FCC auch die abgeschlossene Bono-Untersuchung wieder eröffnet werde.

Wie sehr die Obszönitätsregeln in das amerikanische Fernsehprogramm eingreifen und das Zuschauerverhalten beeinflussen, zeigt der Zuwachs, den Pay-TV Sender wie HBO in den vergangenen Jahren verzeichnen konnten. Fast ein Drittel aller US-Haushalte hat mittlerweile HBO abonniert. Einzig die Pay-TV Sender genießen große Freiheiten im Umgang mit bild und Ton, da sie nur ihren Abonnenten verpflichtet sind. Ohne diesen Spielraum wären Serien wie zum Beispiel der HBO-Hit „Sex and the City" gar nicht entstanden. Denn in der Serie stehen Gespräche über Sex auf der Tagesordnung, und das Wort „fucking“ wird sehr wohl in diesem Sinne verwendet, so oft, dass dem FCC-Chef Powell beim Zuhören schwindlig werden dürfte. US-Fans, die nun sehnsüchtig auf die im Sommer beginnenden Wiederholungen im Free-TV warten, steht deswegen eine böse Überraschung bevor. Was die Zuschauer beim Sender TBS sehen können, dürfte kaum noch Ähnlichkeit mit ihrer Lieblingssendung haben: So hat HBO – das schon von Anfang an den lukrativen Weiterverkauf im Auge hatte – während der gesamten „Sex and the City“-Produktion „saubere“ Szenen mitgedreht, die dann gegen die „unanständigen“ ausgetauscht werden. Bei Pro 7 läuft übrigens die „schmutzige“ Version.

Ob das Publikum wirklich ein moral-haltigeres Fernsehen einschalten will? In der Woche, in der Clear Channel Howard Stern absetzte, sahen Millionen Amerikaner das Finale zweier Reality-Shows, die deutsche Medienwächter wohl erschauern lassen würden. In „My big fat obnoxious Finance“ (Etwa: „Mein großer, fetter, widerwärtiger Verlobter“) heiratet eine 24-Jährige gegen den Willen ihrer Eltern für ein Preisgeld von einer Millionen Dollar einen fremden Mann. Der vermeintliche Gag: Vor dem Altar blamiert die Braut sich und ihre Familie auf die Knochen, als sie erfährt, dass alles nur ein Witz war. In „The littlest Groom“ („Der allerkleinste Bräutigam“), einer Art „Behinderten-Bachelor“, darf sich ein kleinwüchsiger Mann zwischen kleinwüchsigen Singles eine Frau aussuchen. Beides Sendungen, die im Free-TV liefen und von der FCC unbeachtet blieben. Zwar ist der Inhalt mehr als fraglich, aber die Teilnehmer sind alle sittsam bekleidet und lassen sich auch in völliger Verzweiflung nicht zu einem kraftvollen „Shit“ hinreißen.

Wie wenig zimperlich die Amerikaner mit den moralischen Abgründen des Fernsehens umgehen, zeigt eine repräsentative Umfrage, die der Kabelsender Trio veröffentlichte: Trio TV wollte von den Befragten wissen, ob sie sich die Live-Übertragung von echten Hinrichtungen im Fernsehen anschauen würden. Sie würden – fast zwei Drittel antworteten mit „Ja“.

Johanna Rüdiger[Washington]

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