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Daniel Hartwich und Sonja Zietlow

© dpa

Dschungelcamp (15): Wie werde ich diese blöde App wieder los?

Freitag, das Wochenende naht. Eigentlich ein Grund zur Freude, wenn da bloß nicht dieses Dschungelcamp wäre, über das ich schreiben soll. Wegen Langeweile hat selbst das Boulevardblatt "BZ" seine Berichterstattung inzwischen eingestellt. Und das will was heißen. Doch wir machen tapfer weiter - bis zum bitteren Ende.

Kulturredaktion und dann dazu verpflichtet, das RTL-Dschungelcamp zu schauen. Das fühlt sich dann doch eher wie eine Strafe an. Die Liste der Autoren mit den Sendeterminen kam zusammen mit einer Email, in der es hieß: Alles ist erlaubt, auch Gedichte, Hauptsache, es bewegt sich im Rahmen der Grundgesetzes. Doch an mein Recht der Gewissensfreiheit hat scheinbar keiner gedacht.

Da ich schon ahne, dass es bei mir wohl kaum für ein Gedicht reichen wird, will ich mich wenigstens sorgfältig vorbereiten. Also frage ich einen Kollegen, wie er denn diese Herausforderung gemeistert hat. Antwort: "Ich bin krank geworden." Krank werden. Da hätte ich auch selbst drauf kommen können. Aber ich fühle mich kerngesund. Verdammt, es ist Winter und nicht mal meine Nase läuft. Das glaubt mir keiner.

Eine andere Idee muss her. Ich versuche es noch mal bei einem anderen Kollegen. Antwort: "Mich hat sich keiner getraut, zu fragen." Und ich dachte, jeder muss ran. Ein Trugschluss, wie sich nun herausstellt. Aber mein Name steht eindeutig auf dieser Liste der Verdammten. Da muss ich jetzt durch, ob ich will oder nicht.

Papier und Stift liegen bereit, doch einen eigenen Fernseher besitze ich nicht - die denkbar schlechteste Voraussetzung, um Privatfernsehen zu schauen. Denn im Gegensatz zu den Öffentlich-Rechtlichen gibt es hier keinen Livestream. Zumindest nicht für das Dschungelcamp, das inzwischen längst begonnen hat. Was tun? Kurz überkommt mich die Lust, gar nichts zu machen und einfach abzuwarten, bis es zu spät ist. Doch schließlich siegt mein preußisches Arbeitsethos - und so lade ich mir eine App von RTL herunter, mit der man die Sendung dann angeblich direkt schauen kann: 60 Tage kostenlos testen, nur noch kurz die AGB bestätigen. Jetzt ist auch alles egal.

Die Ladezeit nutze ich für Hintergrundrecherchen und erfahre so, dass die vier verbliebenen Prominenten Tanja, Maren, Rolfe und Jörn heißen. Wofür sie berühmt sind, lässt sich so schnell aber nicht herausfinden. Nach acht Minuten ist es endlich geschafft und der Livestream startet.

Kein Platz für Vegetarier

Und so werde ich auf meinem knapp vier Zoll großen Handybildschirm doch noch Zeuge eines Halbfinales, das eher wie der Abenteuerausflug einer Großfamilie in den Harz anmutet. In ihrer Verzweiflung über die unter den Kandidaten herrschende Harmonie scheint den Produzenten von RTL nicht besseres eingefallen zu sein, als noch einmal einen detaillierten Rückblick auf Aurelios Rauswurf in der letzten Folge auszustrahlen. Wer diesen wie ich verpasst hat, weiß nun auch, dass Aurelio furchtbar eingeschnappt war, weil es für ihn kein Tofu gab. Und da eine solche Haltung im australischen Dschungel vermutlich noch weltfremder erscheint, als Wachteln zu essen, darf es nicht verwundern, dass am Ende für den Vegetarier im Camp kein Platz mehr war.

Die vier noch verbliebenen Anwärter auf die Dschungelkrone haben sich hingegen mir ihrer Situation im Camp längst arrangiert, was dem Unterhaltungsfaktor der Sendung ins Bodenlose sinken lässt. Auch die erotischen Erfahrungsberichte der ehemaligen Stewardess Tanja dürften sich wohl kaum in den Geburtenraten der Bundesrepublik niederschlagen. Denn eine Frau, die sich Maden, Sandwürmer und Fischaugen in den Mund stopft, regt nicht gerade die Phantasie an.

Nach der obligatorischen und quälend langweiligen Dschungelprüfung, die Tanja und Maren mehr schlecht als recht meistern, nähert sich die Sendung endlich dem Ende. Dass Rolfe dann noch gehen muss, scheint nicht mal mehr die Campinsassen zu interessieren. So bleibt am Schluss die Gewissheit, dass es auch im Privatfernsehen unterhaltsamere Formate gibt, um seine Gehirnzellen zu zerstören. Und die Frage, wie ich diese blöde App am schnellsten wieder loswerde. 

Mattes Lammert

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