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Medien: Eine Regierung, kein Star

Politikkongress 2005: Prognosen und Prophezeiungen

Die politischen Journalisten werteten am Mittwoch gerade Angela Merkels Regierungserklärung aus, als wenige Schritte vom Reichstag entfernt im Hotel Adlon politische Berater und Kommunikatoren in mehreren Gesprächsrunden diskutierten, welche lehrreichen Schlüsse aus dem letzten Wahlkampf zu ziehen sind. Schließlich gelte in der Politik die aus der Fußballwelt entlehnte Weisheit: Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf.

Was also hat der letzte gelehrt? Dass das Fernsehen am meisten zur Wahlentscheidung der Bürger beiträgt? Dass die Persönlichkeit eines Politikers wichtiger ist als seine Sachkompetenz? Dass noch wichtiger als das Erscheinungsbild eines Politikers der Umstand ist, dass seine Partei ihm ein zustimmendes Umfeld schafft, weil er dann überzeugender wirkt? Das waren die Thesen des Mainzer Kommunikationsforschers Hans-Mathias Kepplinger. Falls stimmt, was er behauptete, dass nämlich Charisma mehr zählt als gute Argumente, hat die große Koalition trübe Aussichten: „In dieser Regierung sitzt niemand, der das Zeug zum Star hat.“ Und deshalb, prognostizierte Kepplinger, werde die Politikdarstellung unter Kanzlerin Merkel anderen Regeln folgen.

Zudem zeigte der letzte Wahlkampf: Mit Prognosen ist das so eine Sache. Dass sie nicht immer stimmen, mussten die Umfrageinstitute am Wahlabend erfahren. Je nach Interessenlage hatten die Teilnehmer des Politikkongresses unterschiedliche Argumente parat, warum die Umfragewerte so weit von der Realität entfernt waren. „Zu viele Meinungsforscher sind mittlerweile zu Fernsehkommentatoren und TV-Stars verkommen“, sie wollten an ihrer vorgefertigten Meinung festhalten, kritisierte Frank Stauss, der mit seiner Werbeagentur „Butter“ die SPD im Wahlkampf unterstützte. Nein, es sei die Schuld der Medien, dass sie sich in ihrem Glauben an Umfragewerte nicht erschüttern lassen, glaubt Michael Spreng, der 2002 den damaligen Unionskanzlerkandidaten Edmund Stoiber beraten hatte. Der Grund für die Umfragegläubigkeit liegt seiner Ansicht nach auf der Hand: Die Umfragen würden von Medien finanziert, jedes Medium habe sein eigenes Institut verpflichtet. Die Folge: Journalisten würden die Demoskopie zu wenig problematisieren, um die selbst in Auftrag gegebenen Umfragen nicht in Frage zu stellen.

Einen anderen Grund dafür, dass Journalisten in ihrer Einschätzung des Wählerwillens falsch lagen, wusste Kajo Wasserhövel von der SPD: Die Hauptstadtjournalisten hätten vergessen, dass Deutschland größer ist als Berlin, dass die Durchlaufgeschwindigkeit im „Raumschiff Berlin“ sehr viel höher sei als im Rest des Landes, wo manche Inhalte gar nicht so schnell durchdringen könnten, wie sie manchem Journalisten „schon wieder aus dem Hals raushängen“. Politikern sei daher zu raten, nicht permanent das mediale Feedback zu überprüfen und darauf zu reagieren. Stattdessen sollten sie stringent jene Politik betreiben, von der sie selbst überzeugt sind. So rät der Werber Stauss Politikern, zwei Wochen mal keine „Bild“ zu lesen und sich nicht darum kümmern, „ob Gabor Steingart beim ,Spiegel‘ gerade auf dem neoliberalen Trip ist oder nicht.“

Der nächste Wahlkampf werde anders verlaufen, glaubten einige Teilnehmer. „Back to the roots“ sei der richtige Weg. Politiker müssten wie früher die direkte Ansprache suchen, allerdings mit Mitteln der modernen Kommunikation. Insofern können sich die Bürger darauf einstellen, von Politikern bald mit Mails überschüttet zu werden.

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