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Eva Herman: Missionarin auf dünnem Eis

Die ehemalige NDR-Moderatorin Eva Herman war auf einer Mission und überschätzte sich damit. Jetzt wurde sie dafür abgestraft.

Wer regelmäßig im Fernsehen auftreten darf, läuft Gefahr, einem Realitätsverlust zu erliegen, der Medienpräsenz mit Bedeutsamkeit verwechselt. Daran liegt es, dass TV-Prominente so häufig ins schriftstellerische Fach übergehen und in Bekenntnis- und Meinungsbüchern der Gesellschaft ins Gewissen reden. Ulrich Wickert lieferte mit „Der Ehrliche ist der Dumme“ seinerzeit das Bestsellerexempel und spornte Kollegen unterschiedlichster intellektueller Kapazität dazu an, es ihm gleichzutun.

Wickerts Ex-Kollegin Eva Herman zählt fraglos zu diesen Nachahmungstätern. Sich Woche für Woche als Nachrichtenansagerin hervorzutun genügte der forschen Friesin bald nicht mehr. Sie avancierte zur erfolgreichen Talkshowmoderatorin, führte durch Unterhaltungssendungen, nahm trotz bescheidener gesanglicher Gaben eine CD auf, schrieb Frauenromane („Dann kamst du“), die nicht besser und schlechter waren als das Gros dieser verhängnisvollen Gattung, und zierte in regelmäßigen Abständen die Frontseite von „Bild“, um darüber zu wehklagen, dass der Mann fürs Leben so verdammt schwer zu finden sei.

Das alles wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn Eva Herman nicht alsbald eine Mission in sich gespürt hätte, die der Retablierung traditioneller Werte gelten sollte. Spürbar war dies bereits in ihren Romanen, die einer herkömmlichen Geschlechterzuordnung das Wort redete, und manifest wurde ihr konservatives Outing im Ratgeber „Vom Glück des Stillens“. Mit ihren Büchern „Das Eva-Prinzip“ und „Das Arche-Noah-Prinzip“ wurde aus der charmanten TV-Plauderin endgültig die Frontfrau all derjenigen, die Werteverfall beklagen und meinen, Heilung in vorgestrigen Modellen zu finden. Damit hätte Eva Herman leben können; Einladungen zu Diskussionsrunden wären ihr gewiss gewesen.

Mit den (Verkaufs-)Erfolgen freilich meldete sich – auch das kein Einzelfall – ein Größenwahn zu Wort, der Eva Herman dazu verleitete, ihre intellektuellen Reserven zu überschätzen und ungeschützt über Gott und Welt zu schwadronieren. Dadurch, dass sie die Zeit des Nationalsozialismus als Referenz anführte, beging sie die größtmögliche mediale Torheit. Denn seit Philip Jenningers und Martin Walsers Reden wissen wir, wie hyperkorrekt fühlende Gruppen auf Signalwörter reagieren und stereotyp ihre Verdammungsurteile absondern. Das wird brav akklamiert, und Journalisten, die wie Johannes B. Kerner selten durch kritisches Nachfragen auffallen, sehen ihre Chance gekommen, sich mit einem Mal „knallhart“ zu geben.

Sagen wir es offen: Eva Hermans umstrittene Äußerungen bei der Vorstellung ihres „Arche-Noah-Prinzips“ belegen keine neonationalsozialistische Gesinnung. Sie demonstrieren vielmehr die Unfähigkeit einer überforderten Frau, komplexe Sachverhalte sprachlich komplex wiederzugeben. In ihren Büchern, die stets auf die Unterstützung erfahrener Lektoren und Co-Autoren setzen durften, ließ sich derart geistiges Chaos vermeiden; sobald Eva Herman jedoch ungeschützt vor Mikrofone tritt, zeigt sich, auf welch dünnem Fundament ihre Weltverbesserungslehren stehen. Wer 2007 Hitler als „völlig durchgeknallten Politiker“ bezeichnet, legt seine simplen Denkstrukturen bloß, und wer, wie jüngst vor dem „Forum Deutscher Katholiken“, behauptet, „alles, was nach Familie, nach Glück mit Ehepartnern und mit Kindern“ klinge, werde in Deutschland „leider auffallend schnell mit Nazi-Parolen in Zusammenhang gebracht“, pervertiert das Ursache-Wirkung-Prinzip. Denn nicht Hermans (oft selbstgefällige) Kritiker waren es, die mit gedankenloser Unschärfe das Mutterbild der NS-Zeit rühmten.

Sagen wir es noch offener: Eva Herman leidet unter Selbstüberschätzung. Ihre Versuche, sich nun als Opfer einer „gleichgeschalteten“ Presse und von „Projektionen“ zu sehen, geben davon ein neuerliches Zeugnis ab. Wie es mit der einstigen NDR-Vorzeigefrau enden wird, lässt sich klar vorhersagen: Ihre schlichten Tiraden werden sie zum häufigen Gast bei rechtskonservativen Versammlungen machen, die danach lechzen, schlichten Tiraden zuzujubeln. Vielleicht ja erbarmt sich bald ein kleiner Privatsender ihrer, und spätestens im kommenden Frühjahr werden wir bei der Leipziger Buchmesse eine Herman-Schrift in Händen halten, die ihre Opferrolle beschreiben und aus zahllosen zustimmenden Leserbriefen zitieren wird. So ist das hierzulande.

Rainer Moritz

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