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Fernsehen: Wenn Gletscher bluten

Das Alpendrama "Gletscherblut": Mensch gegen Natur auf Arte

Mit Filmen aus der beschaulich-betulichen Bergwelt ist das so eine Sache. Die Klischees drohen von allen Seiten wie Lawinen herniederzudonnern. Keine guten Ausgangsbedingungen, um mit einem neuen Bergdrama zu punkten. „Gletscherblut“, von Thomas Kronthaler nach dem Drehbuch von Claudia Kaufmann inszeniert, ist eine Art Zwitter aus Berg-Heimat-Drama und Gefühlskarussell. Um Beziehungen geht es und große Emotionen – im Kleinen. Und um eine drohende Naturkatastrophe sowie wirtschaftliche Interessen – im Großen.

Irgendwo in einem Dorf in Tirol. Markus (Thomas Unger) reist aus dem hohen Norden an, heiratet doch seine langjährige Ehemalige. Ausgerechnet Carlo (Tim Bergmann) ist der Auserwählte von Lisa Hirtner (Lisa Martinek). Markus und Carlo, sie sind seit jeher Widersacher. Lisas Vater (Günther Maria Halmer), zugleich Bürgermeister und monopolistischer Bauunternehmer, plant derweil mit Investoren eine Touristenattraktion aus jenem Gletscher zu machen, der oberhalb des Dorfes thront. Dafür muss Markus, der seit Jahren schon als Berufstaucher an der Nordsee ist, das elterliche Bauernhaus freigeben und verkaufen. Derweil findet Carlo, der als Glaziologe den Gletscher erforscht und auch für das Projekt seines neuen Schwiegervaters tätig ist, heraus, dass da oben etwas nicht stimmt: Das Wasser, das sonst abfließt, staut sich in einer Wassertasche, die das ganze Dorf bedroht.

„Gletscherblut“ unternimmt den Versuch eines modernen Alpendramas, in welchem der Mensch egoman und intrigant, wie er nun einmal ist, um seine ureigenen Interessen kämpft und das größere Ganze zu vergessen scheint. Dieses größere Ganze ist die Natur, der Gletscher, an dessen Ecken und Enden es taut und tropft. Und diese Natur holt sich zurück, was ihr gehört. Der Mensch wird dabei den Kürzeren ziehen. So, wie der opportunistische Bürgermeister und Bauunternehmer Hirtner seinem Schwiegersohn Carlo androht, er werde den Kürzeren ziehen, wenn er sich mit ihm anlegt.

Es sind die kurzen zwischenmenschlichen Augenblicke, die Thomas Kronthalers sonst sehr solide-konservative Inszenierung durchbrechen und Empathie für die Figuren aufkommen lassen. Dass eine funktionierende wirtschaftliche Investition vor einer maroden abgewirtschafteten Natur keinen Bestand hat, ist nicht eben neu. Ein schönes metaphorisches Bild ist, als aus der Ferne im Dorf unten zu sehen ist, wie der Gletscher plötzlich zu bluten beginnt – jene Warnfarbe, die Carlo und Markus zuvor in Tauchgängen im Gletschersee anbrachten. Da läuft es der blutenden Natur tiefrot vor dem weißen Grund des Gletscherschnees herunter. Thilo Wydra

„Gletscherblut“, Arte, 21 Uhr

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