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Fernsehkritik: Generation Porno: Mit dem Thema Sex überfordert

Man mag sich nicht vorstellen, wie RTL, Sat1 oder Pro7 sich dieses Themas angenommen hätten. Matthias Kalle über "Generation Porno", eine gelungene Folge der ohnehin zu selten gewürdigten ZDF-Reportagereihe "37 Grad".

Was wir Fernsehkritiker ja leider so oft vergessen: dass zum Beispiel das ZDF die großartige Reportage-Reihe „37 Grad“ im Programm hat, immer dienstags um viertel nach zehn am Abend. Die Reportagen sind selten langweilig, manchmal sind sie so gut wie gestern Abend, als es um die sexuelle Verwahrlosung von Jugendlichen ging. „Generation Porno“ hieß die Folge, Unterzeile: Wenn Kinder hartem Sex begegnen – und man mag sich nicht vorstellen wie so etwas aussehen könnte, wenn sich RTL, Sat1 oder Pro 7 dieses Themas angenommen hätten. Aber die beiden ZDF-Autoren Katharina Gugel und Ulf Eberle liefern eine leise, traurige Reportage über die Welt von Alina, Cecile, Kristian und Jakob, die zwischen 13 und 15 Jahren alt sind, und deren Freizeit daraus besteht sich im Internet Pornofilme anzuschauen oder auf ihrem Handy Rap-Songs von jemandem, der sich Frauenarzt nennt zu hören. Sex ist etwas, dass sie „interessant“ finden, auf dass sie „neugierig“ sind – und von dem sie bei all der Bilderflut überhaupt keine Ahnung haben. Als Alina, 14, von ihrem ersten Mal spricht, erzählt sie, dass sie dabei ferngesehen habe. Auf die Frage, wie es denn gewesen sei, antwortet sie: „Normal.“

In der vielleicht erschütternsten Szene der Reportage spricht der 13-jährige Jakob über einen Porno, den er im Internet gesehen hat, und in dem einer Frau offensichtlich Gewalt angetan wurde. Er beschreibt, was er da gesehen hat, kämpft dann mit den Tränen, weint, verliert komplett die Fassung. Diese totale Überforderung mit dem Thema Sex ist es, die die Autoren der Reportage herausgearbeitet haben, Überforderung gepaart mit Ahnungslosigkeit – und mit Hilflosigkeit, vor allem auf Seiten der Eltern. Die glauben entweder, dass man mit „Offenheit“ und „Ehrlichkeit“ mehr erreichen könne – oder aber sie halten es für eine gute Idee, die beste Freundin ihrer Kinder zu sein und mit ihnen gemeinsam in die Disco zu gehen. In einer Szene geht Alina mit ihrer Mutter los, in die Disco, sie verlassen das Haus, beide sehr blond und sehr gepierct – und rauchen erstmal eine Zigarette. Alina ist 14 Jahre alt.

Das angenehme an dieser außergewöhnlichen Fernsehreportage ist, dass die Autoren keine Lösungen anbieten. Sie bilden ab, dabei führen sie nie vor – und der Zuschauer sitzt fassungslos vor dem Fernseher und fragt sich, wo der Zauber, das Geheimnis, die Magie geblieben sind, die doch eigentlich für alle Zeiten den Sex und die Liebe begleiten sollten, wenn man jung ist.

Eine Frage muss aber dennoch gestattet sein, bei all dem Lob für dieses Fernsehglück: Um 21 Uhr kann man das nicht zeigen, nein?

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