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ILLNER intensiv

© ZDF

Fernsehkritik: Illner intensiv: Minimal und weniger

Krampfhaft witzig statt aufklärerisch: Matthias Kalle hat "Illner intensiv" durchlitten und hält das Versagen des ZDF im Wahljahr für eine doppelte Tragödie.

Könnte es sein, dass Politik ähnlich funktioniert wie das Fernsehen? Nicht für die Akteure, sondern für uns, die Bürger, die mit dem, was andere machen, zurecht kommen müssen. In der Politik haben wir Wahlen, damit können wir uns für oder gegen etwas entscheiden – beim Fernsehen haben wir die Fernbedienung, damit können wir umschalten und, wenn es gar nicht mehr anders geht, auch ausschalten.

Dienstagabend, kurz nach elf, hätte man von diesem Recht durchaus Gebrauch machen können. Denn da war „Illner intensiv“ bereits in voller Fahrt, das halbstündige Format will die Bundestagsparteien auf den Prüfstand stellen, fünfmal wird es die Sendung geben, diesmal lautete die Überfrage „Warum die Grünen wählen?“. Korrekt wäre aber die Frage gewesen: „Warum Illner gucken?“, denn das, was sich da wieder abspielte, hat weder mit Politikvermittlung, noch mit einem aufklärerischen Ansatz irgendetwas zu tun – und das ist eine doppelte Tragödie, weil es eben keine Sendung des Privatfernsehen ist, die hier auf ganzer Linie versagt, sondern eine öffentlich-rechtliche, gemeinhin ja immer noch die letzte Bastion des Minimalanspruchs.

Aber wenn es um dieses Wahljahr geht, dann neigt das ZDF leider nicht dazu, den Zuschauer für politische Inhalte zu begeistern. Das neue Nachrichtenstudio wirkt wie eine Arzneimittelwerbung aus den 80er Jahren, in der ein dubioser Kerl die Vorzüge eines Medikaments anhand wirrer Infografiken erklärt. Und der gute, begrüßenswerte Ansatz der Show „Ich kann Kanzler“ wurde offensichtlich wegen mangelndes Mutes des Senders lieblos ausgestrahlt – fast so als würde man sich für dieses Format schämen.

Dabei muss man sich wirklich für etwas anderes schämen, nämlich dafür, wie krampfhaft versucht wird witzig und originell zu sein. Die beim ZDF haben sich für die Wahlkampfberichterstattung allen ernstes den Slogan „Wahlwatching im Zweiten“ ausgedacht, das Symbol: ein Wal.

Ähnlich lustig ging es bei „Illner intensiv“ zu. So eine Sendung kommt ja leider nicht mehr damit aus, dass ein gut vorbereiteter politischer Journalist Fragen stellt, die die eingeladenen Politiker beantworten müssen. So eine Sendung muss vorab eine lustige MAZ zeigen, einen „Reisebericht“ der Grünen von 1983 bis heute. Und, ganz wichtig, man hat das Internet entdeckt, Zuschauer können ihre Fragen via youtube einsenden, was vor allem deshalb keinen Sinn macht, weil die Fragen nicht beantwortet wurden – dabei tat Jürgen Trittin von allen Gästen noch das Beste, um eine Art von Niveau zu erreichen.

Der Rest? Der Schauspieler Volker Brandt war eingeladen, als „Grünenwähler der ersten Stunde“. Brandt prognostizierte dann den Grünen für die Bundestagswahl ein Ergebnis von 18 Prozent, und als er in der Sendung ein Quiz machen soll, in der er drei Fragen zu den Grünen beantworten muss, gibt er drei falsche Antworten. Aber wieso ein Quiz?

Offensichtlich reicht es nicht mehr, den Zuschauer durch Reden, Streiten, Argumentieren für eine Sache zu begeistern, zu informieren. Schnell und lustig muss heute eine Sendung zur Wahl sein, einmal soll Trittin acht Fragen hintereinander beantworten, aber „bitte kurz“. Wieso kurz? Muss Politik einfach sein? So einfach wie das Fernsehen? Oder müsste es nicht Aufgabe des Fernsehens sein, für den Zuschauer zu übersetzen, was der nicht versteht? Was „grüne Jobs“ sind, wäre zum Beispiel interessant gewesen, oder aber was der „new green deal“ ist – stattdessen erfahren wir, dass Trittin kürzlich erst die Nationalhymne mitgesungen hat, allerdings sehr leise. Das ist das, was hängen bleibt, nach einer halben Stunde Illner „intensiv“.

Obwohl – nicht ganz: man fragt sich dann doch noch, warum das Studio so aussehen muss, wie ein Luftschutzbunker – und warum Maybrit Illner in den Übergängen zu einer neuen Frage einen Vorwurf so wegnuschelt, dass die Politiker darauf nicht reagieren können. Ist das guter Stil? ist das faire Auseinandersetzung?

Aber vielleicht ist das auch nicht der Sinn des Ganzen, vielleicht erwartet man immer noch zuviel. Der Schlussgruß von Illner lautete am Dienstagabend „Bleiben Sie heiter". Bloß wie?

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