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© BR

Fernsehprogram: Das Leben der Anna W.

In Volker Schlöndorffs „Strajk – Die Heldin von Danzig“ spielt Katharina Thalbach die Heldin des Danziger Werftstreiks von 1980.

Mit seinen weiblichen Protagonisten hat Volker Schlöndorff nie großes Glück gehabt. Schon die Ex-RAF-Terroristin Inge Viett distanzierte sich heftig davon, dass der Film „Die Stille nach dem Schuss“ ihre Erinnerungen verarbeitet – am Ende musste Schlöndorff die Hauptfigur, gespielt von Bibiana Beglau, fiktionalisieren. Ähnlich erging es ihm 2006 mit seinem zweiten zeithistorischen Frauenporträt. Anna Walentynowicz, die „Heldin von Danzig“, verweigerte ihre Mitarbeit an Schlöndorffs Film, der den Streik auf der Danziger Lenin-Werft 1980 zum Thema hat, und wollte den Film gerichtlich verbieten lassen oder im Vorspann einblenden lassen: „Anna Walentynowicz ist mit diesem Film nicht einverstanden“. Am Ende heißt die Hauptfigur Agnieszka, gespielt von Katharina Thalbach.

Der Widerstand ist verwunderlich: Achtungsvoller als Schlöndorff kann man an die so unterschiedlichen Frauen-Biografien nicht herangehen. Da muss niemand Angst haben, denunziert zu werden. Außer, man möchte sich die Deutungshoheit über das eigene Leben nicht nehmen lassen. Beide sicher nicht unkomplizierten Frauen haben diesen Weg gewählt. Schlöndorff möchte starke Frauen der Zeitgeschichte feiern – die Heldinnen wollen aber so nicht gefeiert werden.

Symbolfigur und Verliererin

Im Dokumentarfilm „Wer war Anna Walentynowicz?“ von 2002, den Arte anlässlich der Erstausstrahlung von Schlöndorffs „Strajk – Die Heldin von Danzig“ sendet, erlebt man diese Anna Walentynowicz real: die kleine Frau mit der großen Brille, die in jenen heißen Augusttagen des Jahres 1980 dafür sorgt, dass die Arbeiter der Lenin-Werft weiterstreiken: für ein 21-Punkte-Programm, das bis heute nicht eingelöst ist. 2002, als die Werftarbeiter wieder streiken, wird diese Anna frenetisch gefeiert. Auch heute noch, in Pelzkragen, Wollmütze und inzwischen modischerer Brille, ist sie eine Symbolfigur des Widerstands.

Und sie ist trotzdem die Verliererin – und entsprechend verbittert. Damals, 1980, hat sie die Führung der neu gegründeten Gewerkschaft Solidarnosc ihrem Mitstreiter Lech Walesa überlassen – weil sie den Eindruck hatte, eine Revolution werde nur ernst genommen, wenn ein Mann an ihrer Spitze steht. Dass Walesa sie wenige Monate später aus der Gewerkschaft ausschließt, hat sie bis heute nicht verwunden. Auf der Hochzeit ihres Patenkindes, der Tochter von Lech Walesa, begegnen sich die alten Kämpfer nach Jahren zum ersten Mal wieder – und sprechen kaum ein Wort miteinander.

Ein Kampf um die Deutungshoheit

Dieser schwierigen Frau kommt der Film von Sylke Rene Meyer recht nah, begleitet sie beim Spaziergang durch Danzig, irgendwann steht Anna auf dem Werftgelände, in den inzwischen aufgelassenen Hallen, und ihr kommen die Tränen. Und doch beißt sie kräftig zurück, steht vor der als Gedenkstätte hergerichteten Mauer, über die Walesa damals zu den Streikenden auf das Werftgelände geklettert sein soll, und wettert, dass das alles Mythenbildung, alles falsch sei. Walesa sei ein Mitarbeiter des Geheimdienstes gewesen und mit einem Marineschiff extra zur Werft gebracht worden. Ein Kampf um die Deutungshoheit, auch hier.

In Schlöndorffs Film, an dessen Drehbuch auch Sylke Rene Meyer mitgewirkt hat, spielt der polnische Schauspieler Andrzej Chyra Lech Walesa als blasse Gestalt, der bittere Konflikt zwischen den beiden ist weitgehend ausgeklammert. Agnieszka dagegen ist eine Heldinnenfigur, wie sie im Buche steht, warmherzig, temperamentvoll, eigensinnig – und keine Spur ambivalent. Dass Katharina Thalbach diese Heldin sehr am Herzen liegt, man spürt es in jeder Szene. Es ist ein einziges Plädoyer für die Forderung: „Misch dich ein. Lass dir nichts gefallen. Du kannst die Welt ändern“. Als solcher wirkt der Appell der Anna Walentynowicz noch heute.

„Strajk – Die Heldin von Danzig“. 21 Uhr. „Wer ist Anna Walentynowicz“, 22 Uhr 40, beide Arte

Christina Tilmann

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