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Medien: Fetisch statt Verständnis

Die Mozart-Show. ARD.

Die Mozart-Show. ARD. Mozart hatte es gut. Zu seiner Zeit war man noch nicht auf die Idee verfallen, großen Künstlern nahe kommen zu wollen, indem man guckt, wie die so gelebt haben, was sie zu Mittag aßen und ob sie wohl Frauenhelden waren. Man hat sich nicht eingebildet, durch die Befriedigung solcher Neugier ein großes Werk zu verstehen. Denn damals gab es noch kein Fernsehen. Dieses Medium ist bekanntlich gnadenlos, wenn es darum geht, die Aura eines Genies zu durchstoßen und das Menschlein dahinter in all seiner Wie-Du-und-Ich- Haftigkeit hervorzuzerren. Jetzt ist Mozart dran. Klar kann man nach dem Privatmann fahnden. Bloß über die Reichweite der Resultate sollte man sich klar sein. Man kommt seinem Genius, seiner Musik nicht einen Schritt näher mit all der Menschelei, im Gegenteil. Nur gut, dass Fernsehshows so scharf auf Experten sind. Da ist dann immer mal einer drunter, der die Wahrheit sagt.

Die ARD-Mozart-Show wurde von Sandra Maischberger moderiert, der Frau, die ranmuss, wenn Niveauverdacht aufkommt. Sie machte es wie stets ganz prima, außer dass sie öfter ohne Not das Tempo anzog. Einer ihrer Gäste, das „wandelnde Köchelverzeichnis“ Dr. Rudolph Angermüller, ein äußerst sympathischer Mozart-Spezialist, sagte, was zu sagen war. Auf all die Fragen nach Einzelheiten aus Mozarts Leben, Tod und Seele, bekannte er: „Wir wissen es im Grunde nicht.“ Und: „Das Geheimnis Mozart werden wir nie enträtseln können.“ Wozu auch? Wir haben ja die Musik. Beziehungsweise in der Musik wird das Geheimnis Klang und das genügt. Zuvor schon hatte Gast Christiane Hörbiger dankenswerterweise eingestanden, dass ihr Interesse am privaten Mozart gering sei. Und dagegengesetzt: „Man braucht ein Leben lang, bis man die Musik versteht.“ Da bleibt keine Zeit zur Beschäftigung mit seinen Liebschaften.

Nach diesen wertvollen Voten hätten eigentlich Starkoch Johann Lafer, der im Hintergrund Mozarts Leibspeisen nachkochte, Christine Kaufmann, die auch ein Wunderkind war, und Sonja Kirchberger, deren Sohn dank Mozart-Beschallung den Brutkasten überlebte, wieder nach Hause gehen können. Aber wir waren nun mal im Fernsehen und in einer Show, da muss, wie einst auf den Jahrmärkten, was Tolles, was Geheimes, was Monströses gezeigt werden, oder die Leute verlangen ihr Geld zurück.

Auch die ARD hatte so ein Wahnsinns-Exponat in petto. Es entstammte dem Mozart-Museum, hieß „Rondo alla turca“, Köchelverzeichnis 331, und war so lichtempfindlich, dass bis auf ein Notlicht die gesamte Studiobeleuchtung ausgeknipst werden musste, bevor die Kamera es beäugen und der Sender es senden durften: eine Handschrift! Von Mozart allerhöchstselbst! So weit ist es also gekommen. Fetische locken die Emotionen hervor, die doch der Musik gebühren. Dann schon lieber Edson Cordeiro und die Klazz Brothers, die bewiesen, dass das Girl von Ipanema und die Königin der Nacht irgendwie schon immer und bis heute verwandt sind. „Wir wollen etwas über Mozart erfahren“, hatte Maischberger zu Beginn verkündet. Dazu gab es nachts um 1 Uhr Gelegenheit, denn es lief auf demselben Sender „Die Hochzeit des Figaro“.

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