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Medien: Film gegen die Todesstrafe: Auf Messers Schneide

Es ist ein Jammer: Da will der Kölner Privatsender RTL, was wirklich nicht allzu oft vorkommt, einen anspruchsvollen Fernsehfilm anbieten, der noch dazu als "eindeutige Stellungnahme gegen die Todesstrafe" verstanden werden soll (RTL-Sprecherin Ingrid Haas), doch das mit den besten Absichten gestartete Projekt scheint mit einem Desaster zu enden. Gegen den Film "Todesstrafe - Ein Deutscher hinter Gittern" (20 Uhr 15) mit Jan Josef Liefers und Claudia Michelsen gingen am Freitagabend bei RTL zwei Anträge auf Unterlassung ein.

Es ist ein Jammer: Da will der Kölner Privatsender RTL, was wirklich nicht allzu oft vorkommt, einen anspruchsvollen Fernsehfilm anbieten, der noch dazu als "eindeutige Stellungnahme gegen die Todesstrafe" verstanden werden soll (RTL-Sprecherin Ingrid Haas), doch das mit den besten Absichten gestartete Projekt scheint mit einem Desaster zu enden. Gegen den Film "Todesstrafe - Ein Deutscher hinter Gittern" (20 Uhr 15) mit Jan Josef Liefers und Claudia Michelsen gingen am Freitagabend bei RTL zwei Anträge auf Unterlassung ein. RTL ließ die gesetzte Frist (Montag, 12 Uhr) ohne Antwort verstreichen und will den Streifen am ursprünglich vorgesehenen Tag der Hinrichtung des Oklahoma-Attentäters Timothy McVeigh auch ausstrahlen.

Die urheberrechtlichen Forderungen des einen Antrags will der Kölner Journalist Peter F. Müller nicht weiter verfolgen. Bleibt die Ungewissheit, ob die zweite Antragstellerin, die US-Anwältin Terri L. Backhus, eine einstweilige Verfügung erwirken will. Sie erhebt gegen RTL geradezu ungeheuerliche Vorwürfe: Ausgerechnet mit der Ausstrahlung des Films wider die Todesstrafe könnte die staatliche Tötung für den in Florida inhaftierten Dieter Riechmann näher rücken. Der Deutsche soll 1987 seine Freundin ermordet haben; er wird von Terri L. Backhus vertritt.

Kein Einlenken

"Wenn es nicht so zynisch wäre, würde ich sagen, RTL geht halt über Leichen", meint auch Peter F. Müller, der in der ARD am 3. Mai seine akribischen Recherchen zum Fall Riechmann vorgestellt hatte. Demnach ist Riechmann unschuldig, und die Staatsanwaltschaft hat mit allen möglichen schmutzigen Tricks das Todesurteil gegen den heute 57-Jährigen erwirkt. Auf Grund von Müllers Recherchen besteht nun die vage Hoffnung, dass es zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens kommen wird. Mitten in diese Bemühungen hinein platzt der RTL-Film, der nach Ansicht Müllers Parallelen zum Fall Riechmann aufweist. Den Staatsanwälten sei zuzutrauen, aus irgendwelchen Details Nachteile für Riechmann zu konstruieren. "Die Gefahr steht im Raum, dass sie den Film benutzt." Bestätigt wird er vom langjährigen "Spiegel"-Gerichtsreporter Gerhard Mauz: "Die haben ein anderes Rechtssystem", sagt Mauz, der in den USA mehrfach Prozesse beobachtete. "Die Anklagebehörde ist Partei. Sie tut, was ihr in den Sinn kommt. Der Film ist daher außerordentlich gefährlich für Herrn Riechmann."

RTL ließ sich jedoch bisher nicht erweichen. "Die wesentliche Gemeinsamkeit zum Fall Riechmann besteht darin, dass im Film ebenfalls ein Deutscher in der Todeszelle sitzt", weist Sprecherin Haas angebliche Parallelen zurück. Zwar habe RTL in Presseinformationen beispielhaft auf den Fall Riechmann verwiesen, "aber wir sagen an keiner Stelle, dass Riechmann Vorbild für den Film gewesen ist".

Ob auch US-Staatsanwälte, die das von ihnen einst erreichte Todesurteil "retten" wollen, solch feine Unterschiede machen? Ingrid Haas betont, RTL habe die Befürchtungen der Riechmann-Anwältin sehr ernst genommen. Innerhalb von zwei Tagen ließ sich der Sender von zwei amerikanischen Anwälten in Gutachten bestätigen, dass der Film Riechmann nicht gefährden könne. Für "völlig unverständlich" hält diese Angst auch der Berliner Produzent Nico Hofmann. Doch der ist vor allem verärgert über Peter F. Müller. 1999 hatte Müller nämlich selbst ein Film-Exposé zum Riechmann-Fall angeboten, dies aber nach eigenen Worten "dann nicht weiter verfolgt". Laut Nico Hofmann sei das Angebot dagegen von ihm in Absprache mit RTL abgelehnt worden. In dem nun fertig gestellten Film sei die Handlung mit dem Fall Riechmann bewusst nicht verquickt worden. Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt bestätigte mittlerweile eidesstattlich, dass er von dem Müller-Entwurf nichts wusste. Hofmann nennt es gar "moralisch mehr als zweifelhaft", dass nun "ausgerechnet dieser Peter F. Müller" selbst die Zusammenhänge zwischen dem "komplett fiktionalen TV-Movie" und dem Fall Riechmann herstelle.

Es bleibt ein fader Beigeschmack. Irgendwann ist irgendetwas zwischen all den Menschen mit den guten Absichten schief gelaufen. Und es bleibt die Hoffnung, dass unter den gewiss zahlreichen RTL-Zuschauern möglichst keine US-Staatsanwälte sitzen. Aber das ist nach dem Wirbel der vergangenen Tage wohl nicht sehr wahrscheinlich.

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