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Geld stinkt nicht. Wohlhabend geworden mit AWD ist auf jeden Fall Carsten Maschmeyer, der Gründer und frühere Vorstandsvorsitzende des Finanzdienstleisters. Nach dem Verkauf von AWD sorgt sich Maschmeyer vor allem um sein öffentliches Image. Foto: ddp

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Film mit Folgen: Die Spur der Scheine

Posse oder Präzedenzfall der Pressefreiheit? Der Gerichtsstreit zwischen dem NDR und Carsten Maschmeyer geht weiter.

Von Barbara Nolte

Gerade mal eine halbe Stunde ist der Film lang, der Wellen schlug, wie keiner sonst in diesem Jahr. Der Titel „Der Drückerkönig und die Politik“ ist wenig schmeichelhaft für den Porträtierten, dennoch haben zahlreiche Artikel über den Unternehmer Carsten Maschmeyer einen ähnlichen Tenor. Maschmeyer wird als Mann mit besten Kontakten und zweifelhafter Vergangenheit gezeigt, der als langjähriger Chef des Finanzdienstleisters AWD ein Vermögen machte und dabei manchen Kleinanleger um sein Erspartes brachte. Zunächst schien das größte Verdienst der NDR-Dokumentation, in der Finanzpresse Bekanntes ins Hauptabendprogramm des Fernsehens zu bringen.

Doch dann wehrte sich Carsten Maschmeyer massiv gegen den Film. Der Lebensfährte von Veronica Ferres, Freund von Gerhard Schröder und Christian Wulff, kämpft mithilfe von zwei Anwaltskanzleien und vor zwei Gerichten gegen das Bild, das der NDR-Film von ihm zeichnet. Und so ist die Dokumentation beziehungsweise das, was die Gerichte in den nächsten Wochen von ihr übrig lassen, zum Präzedenzfall dafür geworden, wie weit ein Mächtiger kommt, wenn er mit allen Mittel kritische Berichterstattung über sich verhindern will.

„In meinen 40 Berufsjahren“, sagt Christoph Lütgert, der den Film mitverantwortete, „fand ich mich noch niemals in einer solchen Drohkulisse wieder.“

Neben der Kanzlei Prinz, Deutschlands renommiertesten Presserechtlern, hat Maschmeyer den Strafrechtler Gerhard Strate engagiert, der einst Monika Böttcher aus dem Gefängnis holte, die wegen Mordes an ihren Töchtern verurteilt worden war.

Die Kanzlei Prinz hat vor den Landgerichten in Köln und in Berlin einstweilige Verfügungen gegen den Film erwirkt. Strafanwalt Strate prüfe darüber hinaus mögliche strafrechtliche Verfehlungen des Journalisten Christoph Lütgert. So fassen sie beim NDR einen Brief von Strate an ihren Intendanten zusammen.

Das Ganze klingt wie eine Posse. Doch wird über nichts weniger als journalistische Standards verhandelt, wenn der Rechtsstreit am Donnerstag vor der Pressekammer des Berliner Landgerichts in die nächste Runde geht.

Denn die Berliner Richter gaben Maschmeyer zunächst recht. Im Film musste eine Szene geschwärzt werden, die als klassisches Element einer Fernsehreportage gilt: Carsten Maschmeyer, der schweigt, als Lütgert ihn um ein Interview bittet.

Lütgert sagt, dass die Redaktion zuvor etliche Interviewanfragen an Maschmeyer gesandt hätte, doch Maschmeyer habe sich nie auf ein Gespräch eingelassen. Einmal habe er ihm sogar die Fragen geschickt. Schließlich hätte sein Filmteam sich für eine öffentliche Veranstaltung akkreditieren lassen, um Maschmeyer dort persönlich anzusprechen. „Wenn die Entscheidung des Landgerichts Berlin Bestand hat“, sagt der Justiziar des NDR, Werner Hahn, „besteht die Gefahr, dass in audiovisuellen Medien solche Versuche nicht mehr dokumentiert werden dürfen.“

Von Maschmeyer war sinngemäß in den Medien zu lesen, dass er sich vom NDR-Filmteam verfolgt gefühlte habe. Das Interview habe er nur verweigert, weil die Fragen der NDR-Journalisten, die ihm vorgelegen hätten, nicht konkret genug gewesen seien. Mit dem Tagesspiegel spricht er auch nicht. Seine PR-Agentur hat sich zwar mögliche Fragen an Maschmeyer schicken lassen. Doch zurück kamen nur knappe, schriftliche Antworten eines Mitarbeiters der Agentur CNC Communications, die Maschmeyer zwischengeschaltet hat.

Auf ihrer Homepage rühmt sich die Agentur der besonderen Expertise bei der „Kommunikation bei Krisen und Sondersituationen“. Und tatsächlich hat der Streit mit dem NDR, wie auch immer die Gerichtsverhandlungen ausgehen, Maschmeyers Image nicht besser gemacht.

Die „Frankfurter Allgemeine“ nannte Maschmeyers Vorgehen einen „Angriff auf die Pressefreiheit“. Der Deutsche Journalistenverband sieht eine Grenze überschritten, wenn Journalisten befürchten müssten, dass gegen sie nicht mehr bloß mit presserechtlichen, sondern mit strafrechtlichen Mitteln vorgegangen wird.

„Da will ein Mann mit Brachialgewalt und Einsatz von Geld mitbestimmen, was Recht ist in Deutschland“, sagt Filmautor Christoph Lütgert. Doch der mit reichlich Gebührengeldern ausgestattete NDR kann es mit Maschmeyer und seinem geschätzten Vermögen von einer halben Milliarde aufnehmen. Als bekannt wurde, dass Maschmeyer den Strafrechtler Strate engagiert hat, stellte der Sender Lütgert den nicht minder renommierten Anwalt Johann Schwenn zur Seite, der auch Kachelmann vertritt.

Lütgert sagt, dass ihn die „Einschüchterungsversuche unbeeindruckt“ ließen. Er war lange Chefreporter des NDR, zuvor Mitarbeiter von „Panorama“ in Hamburg. Zum Selbstverständnis der Mitarbeiter der politischen Magazine der ARD gehörte immer, sich mit den Mächtigen anzulegen. Dass sich heute so selten noch ein Mächtiger wehrt, ist ein Anzeichen eines zunehmenden Bedeutungsverlusts der Magazine.

Maschmeyers Vorgehen hingegen gibt Lütgerts Film eine Wucht, die er von sich aus nie gehabt hätte. „Dass so lange und so nachhaltig über den Film geredet wird“, gesteht auch Lütgert selbst ein, „hat Herr Maschmeyer auch Herrn Prinz und Herrn Strate zu verdanken.“

Die NDR-Journalisten haben eine neue Version des Films geschnitten und ins Internet gestellt. An den Stellen, an denen eine Szene fehlt, gegen die Maschmeyer eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, fasst Christoph Lütgert, im Fernsehstudio sitzend, ihren Inhalt zusammen. Die neuen Einstellungen fügen sich in den Stil des Films ein. Das Format der Dokumentation nennen sie in der ARD Presenter-Reportage. Wie ein öffentlich-rechtlicher Michael Moore nimmt Christoph Lütgert die Zuschauer bei seinen Recherchen mit.

In den vergangenen n Wochen hat die „Panorama“-Redaktion, in der der Film entstanden ist, eine Liste mit 34 000 AWD-Anlegern zugespielt bekommen, von denen viele hohe Verluste erlitten haben sollen, und bereits einen Nachfolgefilm daraus gemacht. Auch der „Stern“ nahm diese Liste als Grundlage für einen kritischen Artikel über Maschmeyer. Im „Spiegel“ berichtet der Schauspieler Ralph Herforth als prominenter Kronzeuge, der sich von AWD geprellt fühlt. „Wir haben den Anspruch, eine Lawine losgetreten zu haben. Ohne uns wäre der Fokus nicht auf Maschmeyer gerichtet gewesen“, sagt Lütgert.

Schließlich erreichte das Thema sogar Blätter, die sich sonst nicht für das Schicksal von Kleinanlegern interessieren. So sorgte sich zum Beispiel die „Bunte“ um Maschmeyers Lebensgefährtin Veronica Ferres: „Jetzt werden die Angriffe auf Carsten Maschmeyer so vehement und umfangreich und – bei allem Respekt – so schwerwiegend“, heißt es dort, „dass die beliebte Schauspielerin Sorgen haben muss, in diesen Strudel hineingezogen zu werden.“

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