zum Hauptinhalt

Filmkritik: Der Erfinder

Herausragend: Devid Striesow spielt in der Tragikomödie „So glücklich war ich noch nie“ einen Hochstapler, der sich am Ende selbst betrügt.

„Ich sehe, was Leute brauchen“, sagt Frank Knöpfel zu seinem Bewährungshelfer. Der verschafft ihm schließlich einen Job als Putzkraft. Nach zwei Jahren Gefängnis wegen Betrugs und Trickdiebstahls in 30 Fällen versucht Knöpfel so wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Das gelingt ihm auch, aber schon bald schlägt er auf der Flucht vor der Realität wieder einen Haken nach dem anderen. Dann ist er plötzlich der Geschäftsmann aus Oslo, der Rechtsanwalt mit Kontakten zur russischen Mafia, der Geldanlageberater (seine allerbeste Rolle!), der Kriminalkommissar oder der joviale Immobilienmakler. Immer sieht er, was die Leute brauchen. Man könnte diesen Mann einen Hochstapler nennen oder einen Lügner. Aber eigentlich ist er ein Erfinder, ein Konstrukteur. So erfindet er auch eine Liebesbeziehung zu Tanja, einer Prostituierten, und staunt, als sie für einen kurzen Moment Wirklichkeit wird.

Nach einem Dokumentarfilm über vier Hochstapler hat Alexander Adolph, dessen Drehbücher mit zwei Grimme-Preisen ausgezeichnet wurden, mit „So glücklich war ich noch nie“ sein Spielfilmdebüt als Regisseur gegeben. 2009 lief der Film im Kino. „In fast allen meinen Geschichten habe ich mich mit Menschen beschäftigt, die auf vielfältige Weise sich und anderen Menschen etwas vormachen. Der Held von ,So glücklich war ich noch nie’ ist die Quintessenz all dessen“, sagt er. „Es ist eine traurige Geschichte im Gewand der Komödie.“ Wirklich zum Lachen ist sie nie, auch nicht wenn Knöpfel sich in den Vogelbauer eines Anwalts zwängen muss, wo ihm ein 4000 Euro teurer Rabe ins Auge kackt. Denn von der ersten Szene an spürt man die Einsamkeit und die Verzweiflung der Hauptfigur.

Es macht Spaß, Devid Striesow bei seinem ständigen Rollenwechsel zuzuschauen. Striesow, der schon als Matratzenverkäufer in „Lichter“ und als Finanzjongleur in „Yella“ jemanden spielt, der auch im Scheitern alle Bedenken weglächelt, wächst hier über sich hinaus. Furios verpasst er jeder seiner Posen eine beinahe beängstigende Authentizität. „Ich durfte jemanden spielen, der reflexhaft in bestimmte Rollen verfällt, sobald sich Situationen oder Partner ändern. Und dieser Mensch beherrscht diese Rollen in diesen Momenten mit einer professionellen Perfektion“, sagt Striesow, der Profi, über Frank Knöpfel, der die Initialen seines berühmten Vorbilds Felix Krull trägt.

Im Januar war Striesow in einem anderen Hochstapler-Film als geprelltes Opfer zu sehen: Der Zweiteiler „Gier“ von Dieter Wedel allerdings trat schier unerträglich auf der Stelle. Die prominent besetzten Nebenrollen blieben Statisten. Ganz anders in „So glücklich war ich noch nie“: Nadja Uhl als Prostituierte, die verblüfft und gerührt ist von Knöpfels Erfindungen, Jörg Schüttauf als sein braver kleiner Bruder oder Thorsten Merten als wichtigtuerischer Lokalpolitiker, sie alle entwickeln ihre eigene Geschichte, ihre eigene Tragik. Sie alle haben den Wunsch, ab und zu jemand anders zu sein. Auch sie schwindeln und machen sich selbst und den anderen etwas vor. Sonst wäre das Leben nicht auszuhalten.

„Der Film versucht die Grenzen zwischen Komik, Groteske und Tragik nachzuspüren“, sagt Regisseur und Drehbuchautor Alexander Adolph. Seine Geschichte verlangsamt sich immer dann, wenn der Schmerz der Helden am größten ist. So etwa zu Beginn, als Knöpfel nach seiner Entlassung an der Gefängnis-Bushaltestelle von einem ehemaligen Opfer abgepasst und böse verprügelt wird. Da ist der Zuschauer bereits auf Knöpfels Seite.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false