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Sarkozy

© dpa

Frankreich: Sarkozys Fernbedienung

Höchste Personalentscheidungen sind Sache der Regierung - meint Nicolas Sarkozy. Der französische Präsident will die Rundfunkchefs selbst ernennen.

Damit hatte niemand gerechnet. Als Jean-François Copé, der Fraktionsvorsitzende der rechten Regierungspartei UMP, am Mittwochnachmittag Frankreichs Präsident die Vorschläge zum Ende der Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übergab, hätte die Frage nach den Erfolgsbedingungen eines von der „Diktatur der Einschaltquoten“ befreiten Fernsehens im Mittelpunkt stehen sollen. Doch was die Experten der künftig von Werbeeinnahmen unabhängigen Finanzierung des „service public“ erarbeitet hatten, wie die unter dem Dach von France Télévisions organisierten Sender France 2, France 3 oder France 5 genannt werden, das schien Nicolas Sarkozy kaum noch zu interessieren. Er war längst bei der nächsten Reform, die er dann auch zur völligen Überraschung der im Elysée-Palast angetretenen Copé-Kommission verkündete. Der Chef von France Télévisions, sozusagen der oberste Intendant des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Frankreich, soll in Zukunft nicht mehr von der Medienkontrollbehörde, dem Conseil Supérieur de l’Audiovisuel (CSA), sondern von der Regierung ernannt werden.

Bei dieser Ankündigung fühlten sich Sarkozys Zuhörer sofort an die über dreißig Jahre zurückliegenden Zustände zur Zeit des staatlichen Rundfunks- und Fernsehens ORTF erinnert. Eine direkte Telefonleitung verband damals den ORTF- Chef mit der Regierung, über die der Informationsminister vorab über den Inhalt der für den Abend geplanten TV-Nachrichten unterrichtet wurde. Die Gängelei hörte erst 1982 mit den Reformen des sozialistischen Präsidenten François Mitterrand auf, der den Mediensektor für private Unternehmen öffnete und den öffentlichen Sendern durch den CSA eine größere Autonomie einräumte. Diese unabhängige Medienkontrollbehörde ist Sarkozy schon lange ein Dorn im Auge. Abschaffen will er sie zwar nicht, aber die Dinge müssten klar sein, sagte er, höchste Personalentscheidungen seien Sache der Regierung.

Sofort protestierten mehrere hundert Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Sender gegen diesen „Überfall auf das Fernsehen“. Zwei Warnstreiks hatte es bereits in den vergangenen Wochen gegen die „Sarkovision“ gegeben, wie die linksliberale Zeitung „Libération“ den „Griff des Präsidenten nach der Fernbedienung“ nannte. Um dieses „neue Modell werden uns Putin und Berlusconi beneiden“, höhnte der sozialistische Abgeordnete Christian Paul.

Die Vertreter der linken Opposition hatten bereits vor Wochen die Copé-Kommission unter Protest verlassen. Sie wollten sich an der „Maskerade“ für eine schon längst feststehende Reform nicht beteiligen. So hatte der Präsident gegen eine eventuelle Erhöhung der Rundfunk- und Fernsehgebühren zum Ausgleich der Einnahmeverluste ein Veto eingelegt. Die auf 450 Millionen Euro im Jahr geschätzten Ausfälle sollen, wie es Sarkozy angekündigt hatte, durch eine neue Steuer kompensiert werden. Dass der Finanzbedarf damit gedeckt werden kann, ist allerdings offen.

Profitieren werden die privaten Sender. Sie können nicht nur mit höheren Werbeeinnahmen rechnen. Die Regierung hat ihnen auch bereits das Recht auf einen zweiten Werbeblock am Abend eingeräumt. Die Aktien des dem Bauunternehmer Martin Bouygues, einem Freund Sarkozys, gehörenden größten Kommerzsenders TF1 legten sofort um sechs Prozent zu. Hans-Hagen Bremer, Paris

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