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Nensel

© promo

Frauenmagazine: Pilates und Privates

Liebeskummer, Sexerlebnisse oder Seitensprünge: Was Männer erfahren und erleben, die für Frauenzeitschriften arbeiten.

Sie schreiben über Liebeskummer, Sexerlebnisse oder Seitensprünge. Wenn Männer für Frauenmagazine arbeiten, dann fast immer, um den Frauen zu erklären, was Männer wollen, wie sie ticken. Ihr Job ist außergewöhnlich. Beim Modemagazin „Elle“ arbeiten 42 Frauen und vier Männer, bei „Brigitte“ liegt der Männeranteil bei zehn Prozent. „Man ist so etwas wie eine Ehrenfrau, das Geschlecht wird gar nicht wahrgenommen“, sagt Peter Praschl, der fast neun Jahre Redakteur beim Frauenmagazin „Amica“ war. Kolumnist Till Raether sagt, „für mich ist das ein Klischee, dieses Rollendenken, bei einem Frauenmagazin säßen nur gackernde Hühner und es gäbe viel Gezicke“. Raether, der acht Jahre fest bei der „Brigitte“ arbeitete, gibt aber zu: Im Privaten suche man eher die Nähe zu Kumpels als zu Freundinnen. Bei so vielen Frauen auf einem Haufen sei klar, dass auch ordentlich gezickt werde, findet Frederik Bartels, Model-Booker bei „Elle“.

Ihr Job sei klischeebehaftet, da sind sich alle befragten Männer einig. In Filmen und Serien werden die Vorurteile oft genug bedient. So spielt Stanley Tucci in dem Kinofilm „Der Teufel trägt Prada“ den Assistenten Nigel der biestigen Chefredakteurin Miranda Priestly alias Meryl Streep. Nigel ist verschroben, gutherzig, homosexuell. Bartels erwähnt gleich im zweiten Satz, er sei nicht schwul, auch wenn das mit seinem Beruf gerne assoziiert werde. Und in Redaktionskonferenzen schalte er bei einigen Themen einfach ab. „Ich diskutiere sicher nicht stundenlang über eine Handtasche, Make-up oder Waxing“, sagt der 31-Jährige. Da wäre er einfach zu wenig im Stoff.

Frederik Bartels ist für die Organisation der Mode- und Beautyproduktionen des Hochglanzmagazins verantwortlich. Er bucht die Models, die im Magazin erscheinen, und wird deshalb oft von Freunden und Journalistenkollegen beneidet. „Viele denken, ich hätte den ganzen Tag nur mit bildschönen Models zu tun.“ Die Mädchen seien allerdings 15 Jahre jünger als er. „Ein Flirt ist da nicht drin.“

Belächelt werde man als Mann, der für ein Frauenmagazin arbeitet, natürlich auch. „Diese Zeitschriften werden nicht so ernst genommen, wie sie sollten“, sagt Praschl. „Das hat mich bockig gemacht.“ Nach „Wiener“ und „Stern“ wechselte Praschl zur „Amica“. Da habe es Reportagen gegeben, die so auch im „Spiegel“, „Stern“ oder der „Zeit“ hätten stehen können. Die Lächler sitzen am ehesten in Zeitungsredaktionen. „Die Grenze verläuft zwischen Magazin und Zeitung“, sagt Bernd Herbon, heute Textchef von „Amica“ und früher Feuilletonmitarbeiter. Sitzt er mit seinem Stapel von Frauenmagazinen in der U-Bahn, versucht Herbon manchmal die Blicke der Fahrgäste zu deuten. „Angesprochen wurde ich noch nicht“, sagt er.

Dass Männer bei Frauenmagazinen als Exoten gelten, merkt Kuno Nensel, wenn er für „Elle“ Autos testet. „Als einziger Lifestyler in einer Horde von Autojournalisten fühlt man sich manchmal wie ein Außerirdischer“, sagt der freie Autor, bekannt vor allem für seine Sex-Kolumne. Stundenlang über die Verdichtungsverhältnisse eines Motors zu diskutieren, sei „grottenöde“. Im Gegensatz zu Interviews mit Modedesignern wie Donatella Versace oder John Galliano. Fünfeinhalb Jahre arbeitete Nensel fest bei „Elle“ und testete neben Autos die neusten Make-up-Trends. „Ich habe aber gemerkt, ich bin nicht der Typ, um Kajalstifte zu testen.“ Als er bei dem Frauenmagazin anfing, habe er nicht gewusst, was ihn überhaupt erwarte, Nensel dachte, er müsse sich komplett neu einkleiden. „In Konferenzen hat mich erstaunt, wie offen über sehr Privates gesprochen wird“, sagt er. Schreibt Nensel in seiner Sex-Kolumne über Fesselsex oder Dirty Talk, werde das ausgiebig diskutiert. Von seiner 80-jährigen Mutter gebe es oft genug Schelte. „Dann fragt sie: Junge, musst du immer über so was schreiben?“ Zu Nensels Recherche gehört auch mal ein Besuch in einem Sex-Shop nur für Frauen, um sich die neusten Vibratoren erklären zu lassen. „Da gab es natürlich einiges, was mir neu war“, sagt er. Auch Bernd Herbon musste sich in fremdes Terrain einarbeiten. „Was Pilates betrifft, da war ich ganz schlecht.“ Einmal verwechselte er in einem Text Tönen und Färben. „Da war was los.“

Der Blick auf die Frau wird mit der Zeit realistischer. Männer-in-Frauenredaktionen erfahren die Tricks der Frauen, ob in Liebesdingen oder dem Schminkprozedere. „Aber die Frau ist mir noch immer ein Rätsel und wird es auch bleiben“, sagt Bartels. Verlassen Männer Frauenredaktionen, blicken sie mit Wehmut zurück. „Ich habe lange gebraucht, um mich daran zu gewöhnen, dass Frauen nicht mehr das Maß aller Dinge sind“, sagt Raether. Und Praschl, heute Chefredakteur des Männermagazins „Matador“, sagt: „Das Arbeiten mit Frauen ist großartig. Sie sind so schön hysterisch und durchgeknallt. Lebendig eben.“

Yoko Rückerl

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