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Marie (Maria Ehrich) und ihre Schwester Johanna (Luise Heyer)

© Arte

Historischer TV-Film: Glück und Glas

Arme Schwestern, herzlose Kerle, Weihnachtskugeln. Arte bringt „Die Glasbläserin“ mit Maria Ehrich. So herzig kann sich wirtschaftliche Gleichberechtigung durchsetzen.

Wer stolpert so einsam durchs tannige Gebirg? Johanna ist’s, des gestorbenen Glasbläsers älteste Tochter, viel Glasware auf dem Rücken. Gleich tritt Rübezahl auf, kann der Zuschauer denken, oder der Schatzhauser aus Hauffs Märchen „Das kalte Herz“ kommt unterm Wurzelwerk hervor. Aber wir sind nicht im Riesengebirge oder dem Schwarzwald oder im Märchenwald, sondern 1890 im Thüringer Wald, inmitten eines Sozialdramas, das den harten Weg von Frauen schildern will, männliche Monopole einzureißen und selbst Glas zu blasen.

Nicht nur magisch und feuerselig lieben es die in Tschechien gedrehten Szenen, sondern auch herzkinogestimmt: „Die Glasbläserin“ (Regie: Christiane Balthasar, Buch: Leonie-Claire Breinersdorfer – nach dem Roman von Petra Durst-Benning) trivialisiert den wirtschaftlichen Kern des Problems und führt lieber ein moralisches Charaktertheater auf. Gute Männer, böse Männer.

Für die Glasbläsertöchter Johanna (Luise Heyer) und die jüngere Marie (Maria Ehrich), das handwerkliche Junggenie, das ihrem Erzeuger die Kunst des Blasens abgeguckt hat, heißt es, die richtigen Männer zu finden, dann ist der Aufstieg geschafft.

Böse Männer wiegeln das Dorf wider die Frauen auf

Erst sind die falschen um die Mädchen herum. Thomas zum Beispiel, der Sohn des Großglasbläsers (Max Hopp). Den heiratet die begabte Marie, aus Not, nicht aus Liebe. Sie bekommt eine Tochter, aber Thomas erweist sich schnell als ein versoffener Versager. Samt Säugling flieht die begabte Marie ins Vaterhaus zurück, wo sich auch ihre Schwester wieder einfindet, nachdem sie in der Stadt als Assistentin des Glashändlers Friedhelm (überzeugend fies: Dirk Borchardt) den Chef als vergewaltigenden Böshelm ertragen hatte.

Böse Männer wiegeln das Dorf wider die Frauen auf, Fackeln fackeln, aber die beiden Schwestern lassen vom Blasen nicht. Dann greifen die guten Männer ein: Der Glaspatriarch Wilhelm, Vater des nichtsnutzigen Sohnes und Großvater der Marie-Tochter, räumt den Frauen eine Art Gewerbefreiheit ein und bewahrt sie vor dem Untergang.

Ein guter Glasaugenbläser (Robert Gwisdek) springt Luise bei, ein amerikanischer Unternehmer verteilt Aufträge und sein Herz an Marie, die Tannenbaumkugelerfinderin. Dann ist Weihnachten, die guten Männer haben sich durchgesetzt. So herzig soll sich wirtschaftliche Gleichberechtigung durchsetzen?

Wenn dann zum schneeflockigen Finale „Stille Nacht“ gesungen wird und die guten Männer die guten Frauen umarmen, fällt dem Zuschauer der bittersüße Emanzipationsfilm „Margarete Steiff“ mit Heike Makatsch (aus 2006, Regie: Xaver Schwarzenberger) ein, mit Heike Makatsch in der Rolle der behinderten Plüschtierkönigin. War früher nicht doch weniger Lametta?

„Die Glasbläserin“, Freitag, Arte, 20 Uhr 15

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