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Medien: Im falschen Film

Ohne Probevideos geht für Schauspieler nichts mehr – Rising Star produziert sie

Catherina van Veen sitzt in gleißendem Scheinwerferlicht, den Oberkörper hat sie nach vorne gebeugt. „Es hat sich so angefühlt, als sei ich ein Rubbellos, ein Bügelbrett“, sagt sie. Man merkt, wie sie sich bemüht, den Satz ironisch klingen zu lassen. Eine Kamera ist auf ihr Gesicht gerichtet. Auf einmal guckt sie ganz ernst: „Es war, als würde ich unter einem Rasenmäher liegen.“

„Gut, das war’s. Die nehmen wir“, sagt ein junger Mann, der neben der Kamera hockt: Matthias Luthardt. Und doch wird diese Szene vermutlich nie im Kino oder Fernsehen zu sehen sein. Matthias Luthardt, der heute Regie führt, ist Co-Chef der Berliner Firma Rising Star: Sie produziert Demobänder für Schauspieler, das sind Videokassetten mit Arbeitsproben, ohne die im heutigen Filmgeschäft nichts mehr geht. „Meist besetze ich Nebenrollen nur auf der Grundlage von Demotapes“, sagt die Casterin Tina Böckenhauer, die unter anderem die Schauspieler für die ARD-Reihe „Commissario Brunetti“ und für den Kinofilm „Vaya con dios“ ausgesucht hat. 6000 Demotapes stehen in ihrem Regal.

Stars wie Christiane Paul, Heike Makatsch oder Nina Hoss haben kein Problem, ihre Demotapes zu bestücken. Sie brauchen nur die besten Szenen aus ihren Filmen zusammenzuschneiden. Aber Catherina van Veen? Sie war ein Jahr auf der Ernst-Busch- Schauspielschule in Berlin und hat danach Kurse bei Lee Strassberg in New York und Los Angeles belegt. Danach hat sie sieben Jahre pausiert, eine Familie gegründet, Kinder bekommen. Jetzt ist sie 31 und will wieder arbeiten. Sie hat zwar eine kleine Nebenrollen im Axel-Springer-Film „Der Verleger“ gespielt, doch das reicht nicht.

Ein Fall für Rising Star. Alexander Sellschopp, der die Firma gegründet hat, sagt, dass er viel Wert darauf lege, gemeinsam mit den Schauspielern eine Spielszene auszuwählen. Die erste Frage, die er seinen Kunden dabei stellt: Als was würdest du dich selbst besetzen? „Das löst bei den Schauspielern häufig eine Selbstfindungsphase aus. Was und wie bin ich eigentlich? Dann ziehen sie sich meist zurück, fragen Freunde und Bekannte und sammeln so Ideen für eine Spielszene, die zu ihrer Person passt.“

Catherina van Veen hat sich für eine Szene entschieden, in der eine Frau ihren Ex-Freund trifft. Sie erzählt ihm von ihren Affären. Mit diesem Dialog könne sie sich als Schauspielerin so vorstellen, wie sie sei, sagt Catherina van Veen. „Es hat keinen Zweck, den Castern übertriebene Spielszenen zu schicken.“ Während sie das erzählt, schminkt sie in der Küche ihren Filmpartner Norman Kalle. Sie hat ihn bei der „Coaching Company“ kennen gelernt, eine vom Arbeitsamt finanzierte Weiterbildung für Schauspieler. Beide belegen dort derzeit Kurse für Camera Acting und Marketing. Kalle bringt reichlich Kamera-Erfahrung mit, er hat zwei Jahre in der RTL-Soap „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ den Martin Wiebe gespielt.

Im Notfall bringt Rising Star die Spielpartner für eine Szene gleich mit. Diesmal sind sie zu dritt gekommen: Neben Regisseur Matthias Luthardt macht heute Alexander Sellschopp, der Chef persönlich, die Kamera. Außerdem gibt es noch den Assistenten Paul, der gerade den Türrahmen mit Haarspray einsprüht. „Damit der Rahmen nicht so glänzt“, wie er erklärt. Auch den anschließenden Schnitt des Materials macht Rising Star selbst. Jede Spielszene für ein Bewerbungsband behandelt die Firma wie einen eigenen kleinen Film. Sellschopp sagt, er habe für sich „den inneren Anspruch, Kino zu machen“. Die Szenen, mit denen sich die Firma selbst vorstellt, haben durchaus Kinoqualität.

Rund 150 Demobänder hat die Firma in den vergangenen drei Jahren produziert. Die Kosten tragen die Schauspieler. Der Preis wird individuell besprochen, je nach Aufwand kostet eine Spielszene zwischen 300 und 1000 Euro.

Eigentlich sind die beiden Jungunternehmer noch Regie-Studenten. Sellschopp an der dffb, der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, Luthardt an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) „Konrad Wolf“. Beide bereiten gerade ihre Abschlussfilme vor. Ihr Ziel: Spielfilme drehen. „Abgefahren!“, ein 20-minütiger Dokumentarfilm von Luthardt über Blinde, die Auto fahren, wurde vor kurzem vom ZDF gekauft, und soll demnächst ausgestrahlt werden. Die Firma Rising Star sehen sie als einen Teil der eigenen Ausbildung. „Durch meine Arbeit dort habe ich mehr praktische Erfahrung, als ich die sonst im normalen Studium gehabt hätte“, sagt Sellschopp.

Das gilt auch für die Arbeit mit Schauspielern. „Macht ruhig mal ein paar Bewegungen, damit die Szene nicht so steif wirkt“, sagt Luthardt mit sanfter Stimme zu van Veen. Die nickt. Am heutigen Drehtag ist noch ein arrivierter Mann aus der Branche dabei: Simon Happ, der zuletzt den Science-Fiction-Klassiker „Das Jesus Video“ produziert hat. Er ist der Freund von Catherina van Veen. „Es fällt mir wahnsinnig schwer, mich zurück zu halten“, sagt Happ und lächelt verlegen. In einer kurzen Drehpause flüstert er seiner Freundin noch einen Tipp zu. Dann geht er in die Küche. „Ich mach’ dann noch mal Kaffee.“

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