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Im RADIO: Die Liebe bei Zille und de Beauvoir

Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten

Nach seinem Tod wurde Einstein obduziert. Der zuständige Pathologe konnte nicht widerstehen und nahm Einsteins Hirn mit nach Hause. Er glaubte, man müsse dem Hirn das Geniale doch irgendwie ansehen können. Diese wahre Anekdote ist Ausgangspunkt für das Feature „Einsteins Kopf“ von Reinhard Schneider. Hinterlässt Genialität tatsächlich eine materielle Spur in der Hirnanatomie? Kann man große Begabungen auf ein materielles Substrat zurückführen? Bei seinen Recherchen stieß Schneider auf den Wiener Arzt Franz Josef Gall, der vor 200 Jahren eine Privatsammlung menschlicher Schädel anlegte. Hier finden sich Dutzende Gipsabgüsse berühmter Köpfe. Als Vergleichsgegenstände hat Gall die Schädel „dummer und schlechter Menschen“ gesammelt (Kulturradio, 2. Januar, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Der Umstand ist längst nicht jedem bekannt: Heinrich Zille war gar kein echter Berliner. Vor 150 Jahren kam er in Dresden zur Welt, erst geraume Zeit später zogen die Eltern an die Spree. Aber Zille hat das Beste aus seinem Geburtsnachteil gemacht. Als künstlerischer „Milljöh“-Experte brachte er es in Berlin zu beträchtlichem Lokalruhm. Zille hat nicht nur gemalt, sondern im Jahr 1913 auch ein Büchlein mit dem Titel „Hurengespräche“ herausgebracht. Lutschliese, Bollenguste und andere professionelle Damen plaudern in einem „Bouillonkeller“ über Tiefen und Untiefen ihres Gewerbes. Zilles deftiger Nighttalk kann nun in einer schönen Radioadaption gehört werden (Kulturradio, 4. Januar, 22 Uhr 04)

Auf jeder neuen Stufe der kulturellen Evolution schießen neue Berufe aus dem Boden. Plötzlich müssen ganz neue Maschinen gebändigt werden und eben noch unbekannte menschliche Bedürfnisse verlangen gebieterisch nach Befriedigung. Auf der anderen Seite gibt es eben auch „Aussterbende Berufe“. Radio-Autor Erik Heinrich hat sich auf die Suche nach selbigen gemacht. In fünf kleinen Hörstücken erzählt er von Korsettmacherinnen, Schäfern, Holzrückern. Auch Drogisten und Klavierstimmer sind mittlerweile so selten, dass Artenschützer eigentlich hellhörig werden müssten (Kulturradio, 7.–11. Januar, jeweils 14 Uhr 10).

Der Hörspielkrimi „Dunkler Schlaf“ von Karin Fossum führt tief in die norwegische Provinz. Die zivilen Verhältnisse sind hier nur ein dünner Firnis. Dunkler Schlaf liegt über den Dingen, aus dem plötzlich Ungeheuer erwachen. Ein paar Jugendliche laufen in den Nächten Amok, eine alte Frau verwandelt den Keller ihres Hauses in eine Folterkammer. Zuerst ist es nur Notwehr gegen die marodierenden Teenager, aber dann wird genussvolle Rache daraus. In kunstvollen Montagen erzählt Fossum vom explosiven Unglück der subpolaren Provinz (Deutschlandradio Kultur, 7. Januar, 21 Uhr 33, UKW 89,6 MHz).

Vor hundert Jahren kam Simone de Beauvoir zur Welt. Auf allen Kulturkanälen wird der Grande Dame, die 1986 starb, gedacht. Das Dokumentarhörspiel „Die Liebe ist eine Baustelle“ von Walter van Rossum widmet sich der Lebensaffäre zwischen Beauvoir und Sartre. Eine Zitatencollage aus autobiografischen Schriften des Traumpaars, untermalt mit französischen Chansons. Fünfzig Jahre lebten Simone und Jean-Paul eine öffentliche Beziehung, die scheinbar alle Spielregeln zwischen Frau und Mann außer Kraft setzte. Man liebte einander inniglich, aber jeder durfte Sex haben, mit wem und wann immer er wollte. Man brauchte einander bedingungslos, aber siezte den anderen aus Respekt vor dessen Persönlichkeit. Eine wirklich bizarre Geschichte, irgendwo zwischen metaphysischem Experiment und schwülem Intellektuellenporno (Deutschlandfunk, 8. Januar, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

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