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Im RADIO: Don Quichotte in der Lausitz

Tom Peuckert verrät, was Sie im Hörfunk nicht verpassen sollten

Im Dezember 1989 kollabiert die DDR mit atemberaubender Geschwindigkeit. Auch im berüchtigten Stasi-Knast von Bautzen überschlagen sich die Ereignisse. Das Feature „Wir dachten, die erschießen uns alle“ von Henry Bernhard erzählt von der „Wende“ in Bautzen. Hinter Gittern erscheinen die Umbrüche noch gefährlicher. Vor Bernhards Mikrofon erzählen ehemalige politische Gefangene, wie sie damals in den Hungerstreik getreten sind, wie die einst so entrückte Staatsanwaltschaft ihnen Verhandlungen anbietet und ihre Zellen eines Tages nicht mehr abgeschlossen werden. Zu Weihnachten ’89 sind alle politischen Häftlinge frei. Noch auf der Fahrt aus dem Gefängnis können sich einige nicht vorstellen, dass die Reise nun wirklich in die Freiheit geht (Kulturradio vom RBB, 9. Dezember, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Dass erst die Arbeit den Menschen zum Menschen macht, darüber waren sich Hegel und Marx weitgehend einig. Was wird also aus dem Menschsein der Millionen Überflüssigen, die heute im kapitalistischen Wirtschaftsprozess nicht mehr benötigt werden? Das Hörspiel „Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer“ von Volker Braun verhandelt die Frage in einer grotesken Fabel. Meister Flick, Brauns Hauptfigur, war einst in den Kohlegruben der Lausitz beschäftigt. Heute lungert er in den Arbeitsagenturen, wandert zwischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und kann doch von seinem Glauben nicht lassen, dass jede Arbeit etwas existenziell Dringliches haben müsse. So wird er zu einem modernen Don Quichotte, einer bitter-komischen Schelmenfigur (Kulturradio vom RBB, 11. Dezember, 22 Uhr 04).

„Das Wüten der ganzen Welt“ heißt ein bemerkenswerter Roman des Niederländers Maarten ''t Hart, von dem es nun eine dreiteilige Hörspieladaption gibt. Die Geschichte einer holländischen Provinzkindheit in den Fünfzigern, aber auch die Chronik eines Mordes und seiner Aufklärung, die für ’t Harts Hauptfigur zur identitätsstiftenden Obsession wird. Weil die hinzugezogene Polizei nichts ausrichten kann, erforscht ein zwölfjähriger Junge den Mikrokosmos seiner pietistischen Kleinstadt und kommt einem Verbrechen auf die Spur, dessen Wurzeln weit in die Geschichte zurückreichen (Deutschlandfunk, 12./19./26. Dezember, jeweils 0 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Unter dem schönen Titel „Nimm nichts und füge nichts hinzu“ erzählt Autor Fritz Mikesch von der japanischen Kunst des Haiku. Die knappste Form der Weltliteratur: 17 Silben, auf drei Zeilen aufgeteilt. Eine lyrische Verneigung vor den Wundern der Gewöhnlichkeit. „Das Erscheinen dieser Gesichter in der Menge / Blütenblätter auf einem nassen, schwarzen Ast“, heißt es in einem berühmtem Gedicht. Im stillgestellten Augenblick wird die metaphysische Tiefe der Erscheinungswelt besungen. Mikeschs Feature ist den japanischen Meisterdichtern gewidmet, will aber auch den Nachweis führen, dass diese Art Poesie nicht allein in Asien gelingt (Kulturrradio vom RBB, 13. Dezember, 14 Uhr 04).

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