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Im Radio: Ungelesen zurück an Georg Büchner

Und was gibt es diesmal im Hörfunk? Unter anderem die Erklärung dafür, warum eines den schönsten Lustspiele der deutschen Literatur erst nach Jahrzehnten uraufgeführt wurde. Die Woche im Überblick.

Unter den führenden Politbürokraten der SED war Werner Lamberz eine Ausnahmegestalt. Polyglott, belesen, charmant, ein Freund der Künstler. Trotzdem machte er in der DDR schnell Karriere, kam schon früh ganz oben in der Nomenklatura an. Viele sahen in Lamberz den kommenden Parteichef, aber dann stürzte er 1978 während eines Staatsbesuchs in Libyen mit dem Hubschrauber ab. Matthias Eckoldt erzählt in seinem Feature „Tod in der Wüste“ mit den Stimmen prominenter Zeitzeugen die Lebensgeschichte dieses besonderen Mannes und geht auch den hartnäckigen Gerüchten nach, Lamberz Tod sei mehr als ein Unfall gewesen (Kulturradio vom RBB, 23. Mai, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Im Hörspiel „Gehen im Herzland“ von Peter Handke wandert ein Mann von Österreich nach Slowenien. Sein Weg führt durch den slowenischen Karst, die Hochebene über dem Golf von Triest. Hier hat Handke seine Kindheit verbracht, hier lebten die Vorfahren. Nun lässt der Autor sein romantisches Alter Ego eintauchen in die Bilder der Vergangenheit, in die Aromen der Heimat. Ein ideales Terrain für Handkes magischen Realismus, für die Beschwörung des Alltäglichen als sinnliches Wunder (SWR 2, 24. Mai, 22 Uhr 03, Kabel UKW 107,85 MHz).

Weil die Bergleute im Harz früher mit ihrem Lohn nur selten auskamen, züchteten sie im Nebenberuf Singvögel. Ihr größter Erfolg war der Harzer Roller, eine domestizierte Form des Kanarienvogels mit besonders schöner Stimme. Die Tradition hat sich bis heute gehalten, wovon ein Harzer Volksfest namens Finkenmanöver zeugt, das jedes Jahr zu Pfingsten gefeiert wird. Das Feature „Das Finkenmanöver“ von Gerhard Pötzsch erzählt vom Kampfsingen der Buchfinkenmännchen, von der glühenden Leidenschaft der Züchter und der massiven Skepsis, die Tierschützer dem stimmgewaltigen Treiben entgegenbringen (Kulturradio vom RBB, 26. Mai, 9 Uhr 04).

Eigentlich hatte Georg Büchner sein Stück „Leonce und Lena“ für einen Komödienwettbewerb geschrieben. Weil er die Abgabefrist nicht einhielt, bekam er das Manuskript ungelesen zurück. Fast sechzig Jahre dauerte es bis zur Uraufführung. Dabei zählt das sublim ironische Märchen um zwei Königskinder und ihre große Langeweile zu den schönsten Lustspielen der deutschen Literatur. Eine hochartistische Ironie auf die Welt der Kleinstaaten und das Geistesleben der Epoche zwischen schnödem Materialismus und todesverliebtem Geniekult. Zu hören ist die Radioadaption von 1952 (Kulturradio vom RBB, 27. Mai, 14 Uhr 04).

Die Frage, wie man das Wesen des Menschen auf den kürzesten Begriff bringen kann, hat früher die Philosophen beschäftigt. Heute sind es eher Marktforscher und Werbepsychologen, die nach knackigen Definitionen suchen. Das Feature „Scuppies, LOHAS und andere Typen“ von Wiebke Matyschok erzählt von Schablonen und Schubladen, die in den Think Tanks der Werbeindustrie erschaffen werden, um menschliches Kaufverhalten versteh- und vorhersagbar zu machen. Was die meisten für intime Seelenregung halten, wird zu sozialen Trends formatiert. Statt an unverwechselbare Individualität glaubt man hier nur an kollektiven Lifestyle (Deutschlandfunk, 27. Mai, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

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