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Medien: „In Berlin funktionieren auch verrückte Sachen“

Drehbuchschreiber David Safier über deutsche Serien, die Entwicklung des Autoren-TV, die Zeit nach Lolle und mieses Karma

Herr Safier, Ihre Fernsehserie „Berlin, Berlin“ war so erfolgreich, dass vor einem Jahr noch eine Kinoversion geplant war.

Es lief darauf hinaus. Mein Buch war fertig, fast alle waren im Boot, dann kam die Finanzierung doch nicht zustande. Schade eigentlich. Ich hätte die Geschichte der Figuren um Lolle herum gerne weiter erzählt.

Die hätten Sie jetzt ja in „Zwei Engel für Amor“, Ihre neue Berlin-Serie, hineinpacken können.

Wir hatten in „Berlin, Berlin“ eine Darstellerin, die Angela Merkel spielte, auch wenn wir sie da anders genannt hatten. Für die neue Serie hatte ich kurz überlegt, daraus eine Liebesgeschichte mit Angela Merkel zu machen. Es passte aber einfach nicht. Die Figuren laufen immer in eine ganz andere Richtung, als man es vorher am Reißbrett geplant hatte. „Zwei Engel für Amor“ ist auch nicht die Nachfolgeserie von „Berlin, Berlin“. Die Grundkonstellation ist eine ganz andere. Und Berlin als Hintergrund ist auch nicht mehr so wichtig, selbst wenn wieder in einer Kreuzberger Kneipe gedreht wird. Der einzige Vorteil, den die Hauptstadt mir als Schreiber bietet: In Berlin funktionieren auch mal verrückte Sachen, zum Beispiel, wenn ich merkwürdige Charaktere durchs Bild laufen lasse.

„Lolle“ hat sie vier, fünf Jahre lang verfolgt. Konnten Sie die Heldin der Serie, mit der Sie berühmt wurden, beim Schreiben der neuen Serie überhaupt vergessen?

Problemlos. Ich schreibe jetzt auch einen Roman mit dem Titel „Mieses Karma“, eine Reinkarnationskomödie. Da ist die Hauptfigur wieder ganz anders. Ob nun Roman oder TV-Serie: Als Autor ist man die Summe seiner eigenen Erfahrungen, seiner eigenen Emotionen. Egal, welche Figuren man schreibt, sie haben immer Anteile von einem selber.

Zurück zum Fernsehen. Mit „Zwei Engel für Amor“ bleiben Sie in der 18-Uhr-50-Schiene. Ein sehr umkämpfter Sendeplatz.

Richtig, und wenn man zurückblickt, ist auf dem Sendeplatz vor und nach „Berlin, Berlin“ quotenmäßig eigentlich nie etwas richtig gelaufen, ob das „Braut wider Willen“ war oder „Türkisch für Anfänger“. Die ARD möchte jetzt schon gerne etwas, was ähnlich ist wie „Berlin, Berlin“, nur ganz anders. Das sind die schönen Aufträge (lacht). Mir war von vornherein klar, dass die Idee eine andere sein muss.

Kein 20-jähriges Landei, das nach Berlin kommt …

… nein, eine 27-jährige Kellnerin, die von ihrer großen Liebe verlassen wurde. In dem Café, in dem sie arbeitet, wird eine Engelsstatue von Amor aufgebaut. Die erwacht zum Leben und sagt: Wenn du mir hilfst, Leute zu verkuppeln, dann bekommst du deine große Liebe zurück. Der einzige Mensch, der Amor noch sehen kann, ist ein Schauspieler, der davor Angst hat, alt und unattraktiv zu werden. Amor hilft.

Mythologie im Vorabendprogramm – verstört das nicht die Supermarktverkäuferin, die sich nach der Arbeit vor der Glotze ein bisschen entspannen will?

Es ist schon so, dass wir damit ein anderes Zielpublikum ansprechen als mit „Berlin, Berlin“. Die ARD will auf dem Platz in der Zuschauerstruktur etwas älter werden. Bei jungen Leuten hatten wir mit „Berlin, Berlin“ phänomenale Quoten. Je jünger die Zuschauer allerdings sind, desto weniger gibt es von denen. Rein rechnerisch kann man mehr erreichen, wenn man versucht, die 20- bis 50-Jährigen zu kriegen anstatt die zehn- bis 30-Jährigen. Es wird sowieso schwierig für meine neue Serie. Sat1 startet im August eine Telenovela auf dem Sendeplatz, RTL plant eine Soap.

Quoten, Kosten, Zielgruppen, Schauspieler finden – die Zwänge eines Serienautors.

Deswegen ist es mal schön, einen Roman zu schreiben. Ich mache mir keine Gedanken, was eine Verfilmung kosten darf. No budget. Herrlich! Für die Verfilmung von „Mieses Karma“ müsste man bestimmt 20 Millionen auf den Tisch legen.

Was darf eine deutsche TV-Serie kosten?

Eine Staffel in meiner Preisklasse rund vier Millionen Euro. Bei „Zwei Engel für Amor“ kann es schon teuer werden, da der Engel öfters animiert werden muss. So etwas darf man nicht allzu oft ins Buch schreiben.

Trotzdem versucht die ARD offenbar, mit ambitionierten Geschichten der Marke David Safier aus Serien-TV Autoren-TV zu machen, wie es in den USA bei Serien wie „24“ oder „Six Feet Under“ funktioniert .

Ja, das hat aber Grenzen. Es gibt Unterschiede im amerikanischen und deutschen Fernsehsystem, die historisch gewachsen sind. Oder schauen Sie nach England. Da wird öfters nur das produziert, was der Autor schreiben kann. Wenn dem nach sechs Folgen nichts mehr einfällt, dann ist Schluss. Das gibt es in Deutschland nicht.

Haben Sie von den Amerikanern gelernt?

Ich habe mir deren Produktionen eine Zeit lang angeschaut. Ich war bei „24“ und bei „Deadwood“, bei David Milch, einer der wichtigsten Autoren und Produzenten, der auch „NYPD Blue“ gemacht hat. „NYPD Blue“ hat einen Umsatz von einer Milliarde Dollar gebracht. Ich bin mir nicht sicher, ob wir in Deutschland da hinkommen, dass Autoren gleichzeitig Produzenten sind, Chef des Unternehmens, verantwortlich für Inhalt, Finanzen, Casting, Auswahl der Regisseure, Schnitt und und und. David Milch ist quasi Gott in seinem eigenen Reich.

So wie Wolfgang Menge früher, bei „Ein Herz und eine Seele“.

Genau, wir hatten ja schon klassisches Autoren-TV, in den 70ern und 80ern, nur für andere Zielgruppen. Wo wir jetzt wieder hinkommen: Dass man eine eigene Sprache haben will für einen Teil der Fernsehserien wie „Berlin, Berlin“, wo die Sender mithilfe von Autorenpersönlichkeiten etwas verkaufen möchten, was die Leute noch nicht gesehen haben. Das haben deutsche Sender begriffen. Ob der Autor dann auch so viel Einfluss in die Produktion kriegt wie in den USA, wo der Autor den Final Cut hat und der Regisseur im Prinzip ein besserer Befehlsempfänger ist, hängt davon ab, ob bei uns solche Produktionsstrukturen geschaffen werden.

Tut sich da was?

Das ist eine Geldfrage. Und auch eine Frage des Mutes. Für das amerikanische Autoren-Modell braucht die einzelne Person mehr Fähigkeiten als nur gut schreiben zu können. Das ist hart. Abgesehen davon, laufen in Los Angeles 30 000 Drehbuchautoren rum. Keine Ahnung, ob ich’s da überhaupt geschafft hätte – mit so viel Einfluss. In England ist es wiederum anders. Da sieht man eher zu, die Autoren vom Set fern zu halten. Man sagt dort: Das sind die Genies, die wollen wir auch nicht sehen. Die sollen bloß in ihrem Haus sitzen bleiben und schreiben.

Sie laufen aber auch nicht in Kreuzberg am Set herum.

Ich werde schon stark in die Produktion von „Zwei Engel für Amor“ eingespannt, vor allem bei den Big Points, beim Casting. Nebenbei: Es ist sehr schwer, in Deutschland Schauspieler zu finden, die ein komisches Talent haben und passabel aussehen, wie Felicitas Woll oder jetzt Theresa Scholze. So eine Sichtung dauert Monate. Dabei spreche ich mich ständig mit dem Produzenten ab.

Bei welchen Sendern wird noch so eine Art Autoren-TV etabliert?

Auch in Deutschland versteht man mittlerweile, dass Autoren nicht das unwichtigste Glied sind. Denken Sie an Marc Terjung mit „Edel & Starck“ oder Bora Dagtekin mit „Türkisch für Anfänger“, alles starke Stimmen, durchaus Autoren-TV. Es gibt aber noch viel zu wenig davon. In den fünf Jahren nach dem Start von „Berlin, Berlin“ ist nicht so wahnsinnig viel Neues gekommen, wie ich damals gedacht hatte. Die „Emmys“ gewinnen andere.

Das Gespräch führten Markus

Ehrenberg und Katharina Zeckau

David Safier , 39, Autor (u.a. „Nikola“). Für seine Serie „Berlin, Berlin“ bekam er den Deutschen Fernsehpreis, Grimme-Preis und 2004 den Fernsehpreis Emmy. Safier lebt in Bremen.

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