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Medien: In der Schwebe

Für und wider den Kauf der „Berliner Zeitung“ durch die Stuttgarter Verlagsgruppe

Von Ulrike Simon

und Ursula Weidenfeld

Zwei Fragen stellte Wirtschaftsminister Wolfgang Clement am Dienstag ins Zentrum der Anhörung im Verfahren um eine Ministererlaubnis für die Verlagsgruppe Holtzbrinck. Erstens: Ist die Existenz des Tagesspiegel ernsthaft bedroht, sollte es nicht zum Zusammenschluss der kaufmännischen Verlagsbereiche von Tagesspiegel und „Berliner Zeitung“ kommen? Wurden für den Tagesspiegel also sämtliche Alternativen wie interne Sparmaßnahmen sowie ein Verkauf an Dritte geprüft? Zweitens: Sollte es zum Zusammenschluss kommen – wäre dann die Unabhängigkeit des Tagesspiegel gewahrt? Die Anhörung im Wirtschaftsministerium war die letzte Gelegenheit für Holtzbrinck wie auch für die zum Verfahren beigeladenen Konkurrenzunternehmen, ihre jeweiligen Standpunkte darzulegen, bevor Clement seine Entscheidung fällt.

Den Anfang machte Stefan von Holtzbrinck, der darlegte, dass es seit der Übernahme des Tagesspiegel nicht gelungen ist, die Zeitung in die Gewinnzone zu bringen – obwohl rationalisiert und alle kartellrechtlich möglichen Kooperationen ausgeschöpft wurden. Dafür verantwortlich seien die besonderen Marktbedingungen im „Entwicklungsgebiet“ Berlin, in dem der Anteil an Nichtlesern und die Mediendichte am höchsten, der Wettbewerb am heftigsten und die Kaufkraft pro Kopf sehr niedrig sei. Ohne den Zusammenschluss mit der „Berliner Zeitung“ würde dem Tagesspiegel angesichts der überragenden Stellung Springers im Leser- und Anzeigenmarkt „die letzte wirtschaftliche Perspektive genommen“, sagte Stefan von Holtzbrinck. Clements Frage, ob durch Senken der Redaktionskosten die Zeitung nicht auf eine wirtschaftliche Basis zu stellen sei, antwortete von Holtzbrinck, dies würde unweigerlich eine Änderung des redaktionellen Konzepts und Abstriche in der Qualität nach sich ziehen, was den Tagesspiegel „vernichten“ würde. Denn das Profil als Qualitätszeitung mit nationaler Strahlkraft mache das Blatt erst für die zum Überleben erforderliche nationale Werbung attraktiv. Mit diesem Argument entgegnete Holtzbrinck zum einen der Kritik des ebenfalls beigeladenen Märkischen Druck- und Verlagshauses, ein Zusammenschluss würde den Anzeigenmarkt in Berlins Speckgürtel stören, und zum anderen dem Ratschlag der „FAZ“, der Tagesspiegel solle nicht mehr überregional verbreitet werden.

Bis heute habe sich kein Kaufinteressent für den Tagesspiegel gefunden, sagte Stefan von Holtzbrinck. Das Blatt erwirtschafte eine Umsatzrendite von mehr als minus zehn Prozent, eine anhaltende Quersubventionierung innerhalb Holtzbrincks sei nicht tragbar. Sollte es nicht zum Zusammenschluss mit der „Berliner Zeitung“ kommen, wodurch unter Beibehaltung der redaktionellen Unabhängigkeit auf Verlagsseite Kosten gespart würden, müsste der Tagesspiegel eingestellt werden. Die Folge: der Verlust publizistischer Vielfalt und von 300 Arbeitsplätzen. Die Ministererlaubnis sei daher unter dem Aspekt des Gemeinwohls erforderlich.

Mit der Einstellung der „Welt“ und mittelfristig auch der „Berliner Morgenpost“ hatte zuletzt Springer gedroht. Auf Nachfragen Clements, der den Brief von Springer als „ungewöhnlich“ empfand, räumte Herausgeber Dieter Stolte ein, die Einstellung der „Welt“ stünde auch im Zusammenhang mit der geplanten Börsenplatzierung des 30-Prozent- Pakets an Springer, das noch bei der Deutschen Bank liege. Weiterhin hohe Verluste zu Lasten der Aktionäre seien nicht zu akzeptieren. Zwar verringerten sich die Verluste durch die Fusion der „Welt“-Redaktion mit der der früher ertragreichen „Morgenpost“, der Zusammenschluss von Tagesspiegel und „Berliner Zeitung“ würde jedoch einen der „siamesischen Zwillinge“ im Springer-Verbund schädigen und so beiden den „Todesstoß“ versetzen.

Springer argumentiert weiter, eine Ministererlaubnis sei verfassungsrechtlich bedenklich, da es durch den staatlichen Eingriff zu einer Sonderregelung zu Gunsten Holtzbrincks käme – die Neutralitätspflicht des Staates würde verletzt. Holtzbrinck-Anwalt Rainer Bechtold widersprach, eine Ministererlaubnis sei so von Gesetzesseite vorgesehen. Es käme einer verfassungswidrigen Sonderregelung gleich, würde sie ausgerechnet im Pressewesen nicht gelten. Was Clements Unabhängigkeit in seiner Entscheidung angeht, distanzierte sich „FAZ“-Geschäftsführer Peter Asmussen ausdrücklich von entsprechenden Medienberichten: Er hege keinerlei Zweifel.

Der ebenfalls zur Anhörung beigeladene Verlag des Stadtmagazins „Prinz“ stört sich, dass bei Holtzbrinck neben „Zitty“ im Fall der Übernahme auch „Tip“ erscheinen würde. Holtzbrinck schlug für den Fall der Ministererlaubnis zwei Auflagen vor: die Installation einer Stiftung, die sich ohne staatlichen Eingriff aus sich selbst finanziert, kontrolliert und Holtzbrinck bei Verstößen maximal ahndet. Zudem würde der Verlag akzeptieren, eines der Stadtmagazine zu verkaufen.

Zum Schluss sagte Clement, unabhängig von diesem Verfahren gebe es dringenden Gesprächs- und Handlungsbedarf im deutschen Medienmarkt. Die Lage der Zeitungen sei überaus kritisch. Er sei sich bewusst, dass dies für die Politik ein hoch sensibles Feld sei.

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