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Medien: In die Tasche gesteckt

Mit dem kleinformatigen „Glamour“ will Condé Nast die Königsklasse der 14-täglichen Frauenmagazine aufmischen

Von Barbara Nolte

Das Heft sei schon fertig, sagt der Condé-Nast-Kommunikationsdirektor Markus Schönmann ein bisschen stolz. Und? Gut geworden? Das sei geheim, antwortet er. Offenbar ist es so geheim, dass er die Mitarbeiter per Rundmail anwies, Anrufer gleich zur Pressestelle zu verbinden.

Das Heft, das gehütet wird wie die Umschläge mit den Preisträgernamen vor der Oscar-Verleihung, ist die neue „Glamour“-Ausgabe. Und zwar die Nummer, mit der der Verlag Condé Nast den Erscheinungsrhythmus seiner Frauenzeitschrift von monatlich auf zweiwöchentlich umstellt, und das in einer Zeit, in der das Umgekehrte normal ist. Die Illustrierte „Max“ hat sich erst Anfang des Jahres vom vierzehntäglichen zum Monatsmagazin zurückverwandelt.

Der 12. Mai ist der Erscheinungstermin für das neue „Glamour“. Und ein bisschen kann man sich denken, wie das Heft aussehen wird: Eine sehr hübsche, lächelnde Frau wird auf dem Cover sein – wie immer bei „Glamour“. Außerdem in fetten Buchstaben das Wort „Sex“, denn für viele Frauenzeitschriften gilt buchstäblich: Sex sells. Bei „Glamour“ ist „Sex“ fester Cover-Bestandteil – auf der aktuellen Ausgabe steht das Wort gleich drei Mal. Vor allem aber erübrigen sich alle Spekulationen über die Größe des zweiwöchentlichen „Glamour“: Sie bleibt, wie sie ist. Din A 5, wie ein Schulheft.

Ein kleines, buntes Schulheft, das offenbar auf manche sehr bedrohlich wirkt. „In den Frauenzeitschriften-Redaktionen schlottern den Leuten die Knie“, sagt der Sprecher eines Konkurrenz-Verlages – selbstverständlich nur anonym. „Glamour“ hat den Markt der monatlichen Frauenmagazine im Handstreich übernommen: Das Heft hat nur zwei Jahre nach seiner Einführung im Februar 2001 eine Auflage von über einer halben Million (genau: 539 062 Exemplare). Jetzt soll es die Königsklasse der Frauenzeitschriften aufmischen. So wird die Gattung genannt, die alle zwei Wochen erscheint: „Brigitte“ von Gruner + Jahr, „Freundin“ von Burda, „Für Sie“ aus dem Jahreszeiten-Verlag und „Journal für die Frau“ von Springer. Titel, die in der Bundesrepublik so verwurzelt sind, dass sie bestimmt im Bonner Haus der Geschichte ausliegen. Aber genau das ist ihr Problem: Ihre Leserinnen sind nicht mehr die Jüngsten. Die von „Brigitte“ zum Beispiel sind durchschnittlich 46 Jahre alt, die von „Glamour“ erst 29.

Von „Ultra-Consumern“ oder „Super-Zielgruppe“ sprechen sie bei Condé Nast, wenn sie die „Glamour“-Leserinnen näher beschreiben sollen. Angeblich sind sie zwischen 20 und 35 Jahren alt, sehr kauflustig – selbst in Wirtschaftskrisen wie dieser. Und so war „Glamour“ auch im vergangenen Jahr, als die Firmen ihre Werbeetats heruntergefahren hatten, voller Anzeigen: 2002, schreibt „Die Zeit“, konnte Condé Nast Deutschland seine Bruttowerbeerlöse um mehr als ein Viertel auf 88,1 Millionen Euro steigern.

Ein Erfolg, der vor allem dem Deutschland-Chef Bernd Runge zugeschrieben wird. Offenbar hat er die Gunst der Werbekunden gewonnen – ähnlich wie in den 90er Jahren Milchstraßen-Verleger Dirk Manthey mit „TV Spielfilm“, „Max“, „Fit For Fun“ und „Amica“. Condé Nast und die Werbekunden, sie stehen in einer so engen Verbindung, dass Condé Nast eine Tagung in München mit veranstaltete, auf der der Verband italienischer Luxusgüterproduzenten Altagamma nach neuen Strategien für die Entwicklung des deutschen Marktes suchte. Runge zählte zu den Referenten. Seine Mitarbeiter sagen über ihn, dass er ein außergewöhnliches Gespür für Luxus habe, was erstmal erstaunlich ist, denn er ist in der DDR aufgewachsen. Über eine Korrespondenten-Tätigkeit für die Ost-Nachrichtenagentur ADN in Budapest, die Chefredaktion der französischen Ausgabe von „Gala“, den Jahreszeiten-Verlag und Condé Nast International kam er 1999 zu Condé Nast Deutschland. „Der Mensch strebt nach Individualität, er will sich von anderen unterscheiden. Das gelingt ihm im Wesentlichen durch Konsum“, so erklärte er mal sein Weltbild. Und die Auflagen seiner, den gehobenen Konsum zelebrierenden Blätter scheinen ihm Recht zu geben. Das Männermagazin „GQ“ stieg vom ersten Quartal 2000 zum ersten Quartal 2003 – also unter Runge – von 132 328 auf 152 386. Die deutsche „Vogue“ von 118 312 auf 140 651 und die Wohn- und Design-Zeitschrift „AD“ von 55 453 auf 93 225 Hefte. Seit Jahresbeginn hat Runge auch den Erscheinungsrhythmus von „AD“ verdoppelt: Anstatt alle zwei Monate kommt es jetzt monatlich heraus.

Runges großer Coup aber ist „Glamour“, das Bettina Wündrich als Chefredakteurin entwickelt hat. Nicht nur, was das kleine Format angeht, war das Heft für Deutschland wirklich innovativ. Gut, auch „Glamour“ ist eine „Bravo“ für Erwachsene – wie so viele Frauenzeitschriften. Mit den Themen: Sex, Prominente, Mode. Aber eine gut geschriebene „Bravo“. Bettina Wündrich war mal Chefin der Jugendbeilage „Jetzt“ der „Süddeutschen“. Aus dem Umfeld der Zeitung kamen auch viele ihrer Redakteure, Autoren, und Kolumnisten. Bettina Wündrich verglich „Glamour“ mal mit „einem Freund, einem Begleiter“, deshalb das kleine Format. Man müsse das Heft überallhin mitnehmen können.

Nur scheinen die „Glamour“-Leserinnen keine besonders treuen Freundinnen zu sein. Liegt neben der Kioskkasse ein anderes, ebenso kleines buntes Heft, kaufen sie auch das. Davon hat „Joy“ profitiert, das fast wie eine Kopie von „Glamour“ aussieht, nur dass es das „Glamour“-Konzept noch konsequenter umzusetzen scheint. Mit Gerald Büchelmaier hat der Verleger Jürg Marquard einen echten ehemaligen „Bravo“- Chef an die Redaktionsspitze berufen. „Wir haben mehr People, mehr Männer und mehr Service bei Mode und Beauty“, sagt Büchelmaier – und das zu einem noch günstigeren Preis (1,50 Euro anstatt 1,80 Euro). Bei der Auflage liefern sich beide Hefte ein Kopf-an- Kopf-Rennen; für „Joy“ wurde sie im ersten Quartal dieses Jahres mit 492 975 gemessen.

Vielleicht ist es dieser Wettstreit, weshalb „Glamour“ immer populärer, weshalb es journalistisch weniger ambitioniert wird. Die Ex-„SZ“-Autoren im Team von „Glamour“ kann man mittlerweile an einer Hand abzählen. Was journalistisch vom Relaunch zu erwarten ist, kann man vielleicht an den vorherigen Job-Stationen der neu eingestellten „Glamour“-Redakteure ablesen: Zwei der Ressortleiter kommen von der „Bunten“, der Textchef von der „Bild“.

„Brigitte“ geht einen anderen Weg: Sie setze „auch weiterhin auf journalistische Qualität, das heißt, auch auf längere Texte bei den Reportagen“, sagt Chefredakteur Andreas Lebert. Er sehe dem neuen Rhythmus von „Glamour“ „sehr gelassen“ entgegen. Aber die „Brigitte“ scheint auf ihrem Weg ziemlich alleine zu sein. „Woman“, die im Oktober gestartete, zweite vierzehntägliche Frauenzeitschrift von Gruner + Jahr, gibt es jedenfalls von heute an zum Sonderpreis von nur einem Euro.

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