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Medien: In Milbergs Schatten

ARD-Krimi „K3“ lebt vom brillanten Verdächtigen

Wenn man den Titel liest, denkt man ja an ein Eifersuchtsdrama. Und obwohl das gar nicht so falsch ist, stimmt die Assoziation nicht. Denn Titelheld Johannes Wach, ein Geschäftsmann, der nach einem Schlag auf den Kopf die letzten sechs Wochen seines Lebens aus dem Gedächtnis verloren hat und nun, weil es Intrige, Mord und Totschlag waren, die in diesen Wochen regiert haben, alles daransetzen muss, seine Erinnerung wieder zu finden, meint es anders. Er selbst, so stellt er fest, sei ein anderer Mann geworden nach dieser Krise.

In der Tat. Die Geschichte knüpft an den ältesten Krimi an, den wir in unserem Kulturkreis kennen: „König Ödipus“. Zwar geht es in „Ein anderer Mann“ nicht um Vatermord und Inzest, sondern um (möglichen) Gattenmord und Habsucht, aber die verzweifelte Suchbewegung des Unwissenden, der ein Verbrechen aufdecken muss, führt in beiden Fällen auf dieselbe grausige Wahrheit hin: Du selbst bist der Täter! In „K3“ allerdings läuft es nicht ganz so gnadenlos konsequent ab wie im antiken Vorbild, an der Schuld des Johannes Wach darf und muss gezweifelt werden. Die Parallele aber ist stark. Denn beide, der griechische König und der hanseatische Pharma-Unternehmer, sind, nachdem sie erstes Licht in das Dunkel der Mordumstände gebracht haben, davon besessen, bestraft zu werden. Der „andere Mann“ will unbedingt büßen – am Ende bloß dafür, dass er in seinem früheren Leben zu sorglos war.

Seine Frau war eine erfolgreiche Bio-Forscherin. Dank ihres Genies wuchs Wachs Pharmafirma zur Weltgeltung heran, ein Durchbruch auf dem Gebiet der Gedächtnisforschung, eine Pille mit Namen „Mnemosyne“ zur Rekonstruktion verlorener Erinnerungen stand kurz vor der Marktreife. Als der schwer verletzte Wach im Krankenhaus die Augen aufschlägt, verlangt er nach seiner Frau. Er muss erfahren, dass sie tot ist. Erst kann er das nicht glauben, dann flüstert er: „Sie wurde ermordet.“ Diese Gewissheit immerhin hat sein gestörtes Gedächtnis gespeichert. Frau Wach, an deren natürlichen Tod infolge Herzversagens man geglaubt hatte, wird exhumiert, und tatsächlich… Die Jagd nach dem Mörder beginnt. Und vorneweg jagt Wach sich selbst.

Regisseur Marcus Weile und Kameramann Sten Mende generierten eine düstere Atmosphäre zwischen Gewächshäusern, Klinik und dem Anwesen des Herrn Wach, die Spannung wird durch immer neue Wendungen gehalten: Frau Wach verließ ihren Mann kurz vor ihrem Tod – warum? Assistentin Sabine Pauli weicht nicht von ihres Bosses Seite – wieso? Mitarbeiter Kamp beansprucht Frau Wachs Posten – war er es, der die Forschungsresultate beiseite geschafft hat? Durch dieses Gestrüpp aus Ehrgeiz, Geldgier und Eifersucht schlägt sich verwirrt und ahnungsvoll der „andere Mann“ – plötzlich sieht er seine eigene Welt sozusagen von unten, aus der Perspektive ihrer dunkelsten Triebe und sich selbst mittendrin.

Wie nun passt diese um tödliche Zwistigkeiten und zerstörerische Selbstzweifel kreisende Geschichte in das Format „K3“? Eben, sie passt gar nicht. Die vier Ermittler unter Kommissar Sander (Ulrich Pleitgen) in ihrer mehr oder weniger erprobten Männerfreundschaft verfallen in die übliche Routine und nehmen einander in der üblichen Art rau-herzlich auf die Schippe.

Aber die joviale Stimmung auf dem Revier will sich mit den Existenzfragen, die die Haupthandlung aufwirft, nicht so recht verschränken, hier fallen Plot und Format auseinander. Das Buch von Peter Petersen müht sich redlich, K3 und die Rätsel rund um „Mnemosyne“ zu verweben – so versuchen die Cops ebenso brav wie erfolglos, den schwierigen Pillennamen auszusprechen –, aber geglückt ist es nicht.

Das liegt vor allem daran, dass die Männer vom K3 einen zu starken Gegenspieler haben, der ja ihre Arbeit tut: den grüblerischen Axel Milberg alias Johannes Wach. Im Grunde interessiert nur, was er entdeckt. Die Bullen sind irgendwie gar nicht richtig zuständig.

„K3 – Kripo Hamburg: Ein anderer Mann“, ARD, 20 Uhr 15

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