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Medien: Internetdienst als Informant

Yahoo hilft China bei Verurteilung eines Journalisten

Der Wirtschaftsredakteur Shi Tao wähnte sich sicher, als er im April vergangenen Jahres nach Dienstschluss E-Mails verschickte. Für die Verbindung zum Internet nutzte er die Telefonleitung seiner Redaktion in Changsha in der Provinz Hunan. Bei dem US-Internetriesen Yahoo hatte er ein privates E-Mail-Konto registriert. Ein Jahr später, im April diesen Jahres, verurteilte ein chinesisches Gericht Shi wegen angeblicher „Verbreitung von Staatsgeheimnissen“ zu zehn Jahren Gefängnis. Die Beweise gegen den heute 37-Jährigen lieferte chinesischen Gerichtsdokumenten zufolge Yahoo.

„Zwischen 19 Uhr an diesem Tag und 2 Uhr des folgenden Morgens verwendete der Angeklagte sein persönliches E-Mail-Konto in seinem Büro, um Notizen (...) zu versenden“, heißt es in der Urteilsbegründung des Mittleren Volksgerichtshofes der Provinz Changsha, die nun „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlichte. Als angebliche Beweise werden in dem Dokument detaillierte Internetverbindungsdaten und E-Mail-Informationen genannt, die von „der Yahoo Holding/Hongkong zusammengestellt wurden“.

Shi Tao hatte eine Warnung der Propagandaabteilung an chinesische Journalisten vor dem Jahrestag des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens an westliche Menschenrechtsorganisationen weitergegeben. Früher bereits hatte Shi Aufsätze über soziale Probleme in China im Ausland publiziert. In den Augen der KP-Mächtigen, die bis heute jedes Wort in den Medien zensieren, war Shi Tao damit ein Verbrecher. Offenbar mit Informationen von Yahoo konnten sie die E-Mails zu Shi Tao in Changsha zurückverfolgen. „Ohne die Hilfe durch Yahoo wäre dies wahrscheinlich nie passiert“, kritisierte eine Sprecherin von „Reporter ohne Grenzen“ in Washington. Die Organisation verlangt von Yahoo Aufklärung über den Fall.

Eine Yahoo-Sprecherin in Hongkong rechtfertigte am Donnerstag das Vorgehen der Firma. „Wie jede andere globale Firma muss Yahoo sicherstellen, dass seine lokalen Seiten mit den Gesetzen, Regeln und Gewohnheiten der Länder übereinstimmen, in denen sie sich befinden“, erklärte sie. Yahoo verwies auf seine chinesischen Geschäftsbestimmungen, die eine Weitergabe von Informationen unter bestimmten Umständen zulassen.

In den Augen der Kritiker ist Yahoos Vorgehen dagegen ein Tabubruch. „Wir wussten bereits, dass Yahoo bei der Zensur begeistert mit dem chinesischen Regime kollaboriert, aber jetzt wissen wir, dass Yahoo auch noch Informant der Polizei ist“, kritisiert „Reporter ohne Grenzen“. Unter dem schwammigen Vorwurf der „Verbreitung von Staatsgeheimnissen“ hat Pekings Regierung in den vergangenen Jahren Hunderte Bürgerrechtler und Demokraten verhaftet. Als „Staatsgeheimnis“ gelten dabei behördliche Informationen, sogar der Wetterbericht.

Der Fall dürfte auch für Verunsicherung unter Chinas Internetnutzern sorgen. Viele Chinesen gingen bisher davon aus, dass sie bei ausländischen E-Mail-Anbietern besser vor der Zensur geschützt seien als bei chinesischen. Doch auch Google, Microsoft und andere ausländische Internetdienste kooperieren aus Rücksicht auf ihre Geschäftsinteressen in China mit der Zensur. Yahoo hatte sich im August für eine Milliarde Dollar beim führenden chinesischen Internetunternehmen Alibaba eingekauft.

Harald Maas[Peking]

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