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Medien: Interview mit Sandra Keller: "Das Leben ist eine Soap"

Sandra Keller, 26, ist seit acht Jahren im Schauspiel-Geschäft. Mit 18 bekam sie ihre erste Rolle in "Gute Zeiten, schlechte Zeiten".

Sandra Keller, 26, ist seit acht Jahren im Schauspiel-Geschäft. Mit 18 bekam sie ihre erste Rolle in "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Vor vier Jahren stieg sie aus, weil sie den Produktionstress nicht mehr aushielt. Seitdem sucht sie ein Schauspieler-Leben abseits der Soaps. Heute ist Sandra Keller in der Serie "Ein Fall für zwei" zu sehen.

Können Sie auf Kommando weinen?

Ja. Ich versuche an etwas zu denken, was mich traurig macht. Vor ein paar Monaten ließ ich meinen Kater einschläfern. Das Gefühl, wie der in meinen Armen starb, bringt mich zum Weinen. Als Vierjährige hatte ich Scharlach und lag im Krankenhaus auf der Intensivstation. Meine Eltern kamen mich besuchen. Bevor sie weggingen, standen sie vor meinem Bett und weinten. Wenn ich heute daran denke, muss ich immer noch heulen. Ich glaube, dass jeder so eine Kartei mit verschiedenen Gefühlen im Kopf hat.

Sie sind also in der Lage, Ihre Gefühle gezielt einzusetzen. Als Kind haben Sie sich nicht einmal ins Kino getraut, weil Sie Angst vor vielen Leuten hatten.

Ja. Das liegt daran, dass ich vom Land komme. Ich bin in Wernsdorf in Brandenburg aufgewachsen. Wenn man vom Dorf kommt, ist man eben schüchtern. Sobald ich mit Menschenmassen konfrontiert wurde, fühlte ich mich schrecklich. Wenn es hieß, dass wir am Samstag ins Kino gehen, lief es mir kalt den Rücken runter. Wenn ich dann am Abend die ganzen Leute vor dem Kino gesehen habe, wollte ich nicht mehr rein.

Und Sie sind draußen geblieben?

So schlimm war es nun auch nicht. Ich vertrage es einfach nicht, wenn mich mehrere Leute gleichzeitig angucken. Ich bekomme dann Beklemmungen und denke, dass ich bestimmte Erwartungen erfüllen müsste. Das kommt bei mir aus der Soap-Zeit.

Was für Erwartungen wurden denn da an Sie gestellt?

Ich musste immer funktionieren, gut drauf sein, strahlen, lächeln.

Wie kamen Sie zur RTL-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten"?

Silvester 1989 habe ich Andreas Elsholz am Brandenburger Tor kennen gelernt. Zufällig trafen wir uns Monate später wieder. Wir verliebten uns. Er nahm mich mit ins Studio.

Und dann wurde gleich gedreht?

Ja. Es war ein Wahnsinnsstress. Am Anfang wurde GZSZ noch mit richtigen Schauspielern besetzt. Da habe ich bei den ersten Leseproben gedacht: "Na Hilfe". Wenig später bekamen wir Schauspieltraining. Zu mir haben die Schauspieltrainer immer gesagt: "Oh Gott, das wird nie was."

Nach den ersten vier Wochen GZSZ wären Sie am liebsten wieder ausgestiegen. Ging es den anderen Darstellern ähnlich?

Das weiß ich nicht. Über Probleme wurde nie gesprochen. Wir waren Konkurrenten. Bei uns ging es darum, wer am meisten in der Presse erwähnt wurde, wer die schönsten Sachen trägt und die größere Rolle spielt. Anfangs habe ich mich noch persönlich geöffnet, über mich und meine Beziehung gesprochen. Da war ich ziemlich naiv. Wenn ich mal eine Krise mit Andreas Elsholz hatte und mich einer Kollegin anvertraute, hat sie das sofort weiter erzählt. Später fragte mich dann die Maskenbildnerin: "Was ist denn bei Euch los?"

Vor wenigen Jahren stürzte sich ein Darsteller aus der ARD-Serie "Verbotene Liebe" vom Dach und starb. Auch aus Verzweiflung ...

Das war 1996. Ich war gerade ausgestiegen. Als ich von dem Unglück hörte, fand ich es nur schrecklich. Bei GZSZ kam es ständig zu Nervenzusammenbrüchen. Wenn man zwölf Stunden im Studio dreht, dann nach Hause geht und die Texte für den nächsten Drehtag lernt, gibt es kein Privatleben mehr. Wenn man es trotzdem mal schafft, am Samstag ins Kino zu gehen, stehen mindesten 50 Leute um einen herum und singen den Titelsong von GZSZ.

Warum sind Sie dann vier Jahre geblieben?

Ich kam raus und habe gemerkt, dass ich neben der Realität gelebt hatte. Ich habe die Leute gehasst, die mir das angetan hatten. Von morgens bis abends wurde ich mit unwichtigen Sachen eingelullt. Jeden Tag hingen die Quoten am Brett. Und immer wenn eine Marke gebrochen wurde, gab es Sekt. Da bekam ich das Gefühl Bestandteil von einer ganz großen Sache zu sein.

In GZSZ spielten Sie das Biest. Haben Sie auch Hasspost bekommen?

Jede Menge. Aber sie haben auch Medikamente geschickt, wenn ich in der Serie erkältet war. Vor dem Biest hatten die Leute Respekt. Diejenigen, die in der Serie die Lieben spielten und für alle ein offenes Ohr hatten, bekamen die Problembriefe. Ein Kollege hat zu mir gesagt: "Ich hätte nie gedacht, dass du im richtigen Leben so nett bist."

Hatten Sie manchmal das Gefühl, die Person zu sein, die Sie spielen?

Nein. Die Tina in GZSZ war eine Comicfigur, ein billiges Abziehbild. Wenn ich die Texte las, habe ich oft gedacht: "So ein Scheiß". Das war ja absurd. Wenn Seriendarsteller sprechen, intonieren sie die Sätze oft hysterisch. Ungefähr so: "Jetzt bin ich aber wirklich sauer." Das liegt an der Regie. Sie wollen alles immer sehr überspitzt, so dass sich das Klischee von selbst toppt. Dazu kommt die Unerfahrenheit der Darsteller und das Fehlen einer Sprechausbildung.

Sie haben sich 1996 für den Playboy ausgezogen. Schüchtern waren Sie wohl nicht mehr?

Damals hat das genau zu meiner Stimmung gepasst. Ich habe mir gesagt, dass ich noch die Fotos mache und dann aus der Serie aussteige. Das war das Sahnehäubchen auf die Zickenrolle. Bei den Fotos war ich nicht mehr schüchtern, weil ihnen vier Jahre Seifenblasenwelt voraus ging. Trotzdem grusele ich mich, wenn ich zu einer Gala muss.

Sie könnten einfach zu Hause bleiben.

Das geht nicht. Galas gehören dazu. Ich muss mich zeigen. Aus gewissen Mechanismen kommt man einfach schlecht raus. Aber ich gehe nicht so oft wie Jenny Elvers, die auf jeder Party ist.

Bleiben Sie denn dann wenigstens bis zum Schluss?

Ich muss nicht die Letzte sein, die auf den Tischen tanzt. Es langweilt mich. Jeder tut so, als wäre da was Besonderes. Ich kann da nichts entdecken. Es gibt auch immer diese Psychovampire, die einen aussaugen.

Psychovampire?

Das sind Leute, die meine Kraft abzapfen. Die schleichen sich von hinten an und klinken sich ein. Es gibt ja immer Themen, für die man empfänglich ist oder die einen berühren. Die schleimen sich damit ein und sind dann so penetrant, dass sie einen nie wieder loslassen. Die geben nichts. Die nehmen nur.

Sie haben im vergangenen Jahr eine Rolle in der RTL-Serie "Großstadtträume" abgesagt - eine Fortsetzung von GZSZ für die ältere Generation. Sie wurde inzwischen abgesetzt. Sind Sie schadenfroh?

Es zeigt nur, dass es die richtige Entscheidung war. Ich wäre da nur wieder Tina Zimmermann gewesen, etwas älter allerdings. Darauf hatte ich keine Lust.

Deswegen bekommen Sie jetzt gar keine Rollen mehr bei RTL. Der Sender hat Ihnen in einem Brief mitgeteilt, dass er in Zukunft auf Sie verzichten wird.

Eigentlich sagt das viel aus. Wenn ein Sender sagt: "Wenn du das eine machst, bekommst du auch das andere, und wenn nicht, dann kriegt du gar nichts mehr", zeigt das die Respektlosigkeit der TV-Macher vor den Schauspielern. Man ist nur noch ein Objekt. Im Prinzip bestätigt das meine Meinung, die ich schon immer hatte. Besetzungen haben wenig mit dem Können des Einzelnen zu tun. Es hängt immer noch davon ab, ob diejenigen, die dich besetzen, dein Gesicht mögen oder nicht.

Und hätten Sie gern ein anderes Gesicht?

Nicht unbedingt. Wenn du besonders glatt aussiehst, kriegst du auch nur glatte Rollen.

Gibt es bleibende Soap-Schäden?

Kurz nach dem Ausstieg habe ich mich mit jemandem gestritten und mich dabei ertappt, wie ich dann plötzlich diese bescheuerten Floskeln aus den Drehbüchern benutzt habe. In diesem Moment habe ich mich gefragt: "Warte mal. Das habe ich doch schon einmal irgendwo gesagt." Zum Beispiel muss ich immer lachen, wenn der Klischeesatz Nummer eins kommt: "Es ist nicht so, wie du denkst." Das ist der Soap-Satz schlechthin.

Hat Ihnen das schon mal jemand im richtigen Leben gesagt?

Ja. Und es war auch der klassische Fall.

Tina aus GZSZ hätte wahrscheinlich kurzen Prozess gemacht.

Ich auch. Die Beziehung war vorbei. Das Leben ist eine Soap.

Können Sie auf Kommando weinen?

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