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Gleichwertig. Die Kommissare Nils Stedefreund (Oliver Mommsen, 43) und Inga Lürsen (Sabine Postel, 57) ermitteln seit 2001 gemeinsam im Bremer „Tatort“. In der heutigen Folge (ARD, 20 Uhr 15) wird ein Tankstellenbesitzer ermordet. Foto: Radio Bremen

© Radio Bremen/Jörg Landsberg

Interview: „Das war ein Schlag ins Gesicht“

Das Bremer „Tatort“-Duo Sabine Postel und Oliver Mommsen im Gespräch über das gemeinsame Jubiläum, Konkurrenz und junge Kommissarinnen, die tougher sein müssen als Kerle.

Herr Mommsen, Sie waren erst 32, als Sie 2001 beim Bremer „Tatort“ angefangen haben. Erinnern Sie sich noch?

Mommsen: Ja, wunderschön. Ich bin immer mehr in die Rolle reingewachsen. Die Stellenbeschreibung für den neuen Kommissar hieß: „Bausparer“, und das ist jetzt nicht das Erste, was man mir auf die Stirn schreiben würde. Insofern musste ich mich immer verwandeln. Mittlerweile ist aus dem Bausparer ein Cowboy mit Bausparvertrag geworden.

Sie feiern als Bremer „Tatort“-Duo mit der heutigen Folge zwei Jubiläen. Für die Hauptkommissarin Inga Lürsen ist es der 25. Fall, für ihren Kollegen Stedefreund der 20. Dieses Mal geht es, nach dem Mord an einem Tankstellenbesitzer, um eine psychisch kranke Frau und deren Familie, ein eher untypischer Bremer „Tatort“, der ansonsten gerne gesellschaftspolitisch heiße Eisen anfasst. Wie wichtig ist es überhaupt noch, sich ein solches Profil zu geben?

Postel: Ich glaube, dass das Krimigenre im deutschen Fernsehen etwas inflationär wird, und dass es wichtig ist, seine Nische zu finden. Wir haben mittlerweile 30 „Tatort“-Kommissare, und jeder versucht, etwas Besonderes zu entdecken. Da wir als kleiner Sender Radio Bremen für die Krimireihe nur zwei Filme im Jahr machen dürfen, müssen die Bücher speziell sein. Wir haben entweder ein gesellschaftspolitisches Thema, an das man sich sonst nicht so trauen würde, oder wir versuchen, ein Privatthema zu wählen, das auch eine gesellschaftliche Relevanz hat. Denn diese Störung, die die Frau hat, ist eine zwar tabuisierte, aber weit verbreitete Sache.

Was ist für Sie als Schauspieler spannender: das große gesellschaftspolitische Thema oder das private Kammerspiel?

Mommsen: Wenn, wie beim letzten „Tatort“, das Ganze in Afrika beginnt, finde ich das klasse. Wenn ich dann erstaunt feststelle, Firmen wie diese „Frontex“ gibt's wirklich, dann lerne ich noch etwas. Ich weiß jetzt, dass Handystrahlung schlecht ist, dass unsere europäischen Außengrenzen von einer Fremdfirma kontrolliert werden, dass Menschen in Deutschland bis zu zwölf Jahren geduldet und danach jederzeit abgeschoben werden können. Und dann gibt es die anderen Filme, da geht es nur um die Menschen selbst. Das hat auch eine Kraft.

Verfolgen Sie, was Ihre Konkurrenten in den anderen „Tatorten“ machen?

Postel: Ach, ich sehe die nicht als Konkurrenz. Ich bin von Hause aus kein neidischer Mensch, und ich finde die „Tatort“-Landschaft, die sich durch die neuen Kollegen in den letzten Jahren sehr verändert hat, ausgesprochen innovativ.

Mommsen: Ich gucke mir jedes Team mindestens einmal an, finde es großartig, was da in der letzten Zeit passiert ist, auch wenn Götz George einmal meinte: „Heutzutage kann jeder ,Tatort’-Kommissar sein.“ Das finde ich gerade spannend. Es ist klasse, was alles ausprobiert wird. In letzter Zeit gab es ja den Hang zu den großen Theaterdarstellern wie Martin Wuttke oder Ulrich Tukur.

Über Ulrich Tukur und die Figuren der Komissare Lürsen und Stedefreund

Wie fanden Sie den letzten „Tatort“ mit Ulrich Tukur?

Mommsen: Im Ansatz fand ich diesen „Tatort“ ja spitzenmäßig, vielleicht nicht in allen Punkten hundertprozentig rund. Aber diese skurrile Edgar-Wallace-Atmosphäre hat mir gut gefallen. Es war auf jeden Fall einmal ein Schlag ins Gesicht für jeden Zuschauer, der da sonntagabends einschaltet.

Ein Großteil der Zuschauer ist bei der Hälfte ausgestiegen.

Postel: So innovativ man das auch gestaltet, bin ich immer noch der konservativen Meinung, dass die Geschichte mich erst einmal fesseln muss. Da hatte ich bei dem Film auch meine Probleme.

Zurück zu Ihnen, zu Ihrer Entwicklung beim „Tatort“. Seit vierzehn beziehungsweise zehn Jahren verkörpern Sie nun die Figuren der Kommissare Lürsen und Stedefreund. Welche Rolle spielt dabei das Älterwerden?

Postel: Wenn man die Chance hat, mit so einer Figur älter zu werden, ist das großartig. Rückblickend finde ich die ersten Folgen ziemlich schrecklich. Lange vor mir, 1989, startete Ulrike Folkerts als „Tatort“-Kommissarin. Sie musste tougher sein als jeder Kerl. Ich sollte nun das weibliche Pendant sein und mit viel Intuition und möglichst ohne Waffe meine Fälle lösen. Es hatte anfangs eine gewisse Betulichkeit, das hat sich aber inzwischen geändert.

Stedefreund ist jetzt mit Inga Lürsen mehr auf Augenhöhe. War das auch Ihr Wunsch, Herr Mommsen?

Mommsen: Ich hab' am Anfang gedacht: Okay, sie geben dir eine Aufgabe, die musst du erst einmal bestehen, damit sie dir vertrauen…

…und dann ziehst du sie über den Tisch!

Mommsen: Das kommt erst noch. Nein, ich dachte, du machst ein Stückchen, und dann kriegst du immer mehr. Das ging bis zu „Scheherazade“. Dieser „Tatort“ kam super an. Ich hab einen Preis dafür bekommen. Bei den nächsten Dreharbeiten stand ich dann wieder als Lederjackenmodel im Hintergrund. Als ich mich beschwerte, wurde mir in einem sehr eindeutigen Gespräch klar gemacht: Wir haben hier ein Assistentengefälle.

Dabei sind Sie gar kein Assistent.

Mommsen: Aber Inga Lürsen ist meine Vorgesetzte! Sie ist Oberhauptkommissar und ich Hauptkommissar. Sie hat einfach einen Erfahrungsvorsprung und einen anderen Blick, das muss man klar anerkennen. Als Kollegin hat mir Sabine dieses Gefühl gegeben, auf Augenhöhe zu sein, übrigens vom ersten Tag an. Deswegen sind wir auch dahin gekommen, wo wir sind.

Das Gespräch führte Simone Schellhammer.

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