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Chinesische Frauen lernen Tabledance

© dpa

Journalismus: Der schräge Blick

Schlagabtausch mit Einsichten: Vertiefen die Medien die Kluft zwischen Deutschland und China? Eine Tagung

Wird die Berichterstattung über China in Deutschlands Medien aus dem Kanzleramt gesteuert? Berichten chinesische Korrespondenten aus Deutschland nur über Fußball und Autos, weil die Regierung in Peking es so will? Fragen wie diese mögen abwegig klingen, aber sie müssen mit allem Ernst diskutiert werden, wenn deutsche und chinesische Journalisten und Medienwissenschaftler miteinander über die Arbeit der jeweils anderen Seite sprechen. Das erfuhren die Teilnehmer des „deutsch-chinesischen Mediendialogs“, zu dem das Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen im Auftrag des Auswärtigen Amtes in dieser Woche rund 30 Medienfachleute aus beiden Ländern in die südchinesische Metropole Kanton (Guangzhou) eingeladen hatte.

Dabei setzte Chinas führender Deutschlandexperte Mei Zhaorong, der 25 Jahre lang als Botschafter Pekings in Bonn und Berlin diente, zu Beginn den Ton für die Debatte während der zweitägigen Konferenz. Es werde immer mehr über China in Deutschland berichtet, aber der überwiegende Teil dieser Berichte falle „negativ“ aus. Insbesondere seit dem Regierungswechsel 2005 und der von Kanzlerin Merkel betriebenen Politik der kritischen Distanz gegenüber dem Reich der Mitte werde Chinas Aufstieg als „Bedrohung“ dargestellt. Demgegenüber fänden die Erfolge des Landes bei der Bekämpfung von Armut und Unterentwicklung kaum Erwähnung. Zudem würden wie im Fall der Pekinger Bürochefin der Deutschen Welle „chinafreundliche Journalisten entlassen“. Die Darstellung der Unruhen in Tibet, bei der die vermeintliche Gewalt chinesischer Sicherheitskräfte mit Fotos von prügelnden Polizisten aus Nepal belegt wurde, sei nur noch „empörend“ gewesen, ereiferte sich der Ex-Diplomat. Die wahren Absichten des Dalai Lama würden unterschlagen, obwohl der in seinen Büchern ein Viertel von ganz China für sein autonomes Tibet beanspruche.

Ähnlich argumentierten auch zwei chinesische Chefredakteure. Der Medienwissenschaftler Jia Wenjian listete akribisch auf, dass seit 2005 mehr als 60 Prozent aller China-Geschichten des Spiegel „eindeutig negativ“ ausgefallen seien. Besonderen Anstoß nahm er an den beiden Titelgeschichten über den angeblich von Peking angezettelten „Weltkrieg um Wohlstand“ und den vermeintlichen Angriff der „Gelben Spione“ auf Deutschlands technologische Geheimnisse. Dabei sei für die Bildung einer internationalen „Allianz gegen China“ geworben worden, zitierte Jia, das sei eine „schlimme Beleidigung für die vielen, hart arbeitenden Menschen“ seines Landes.

Die deutschen Gäste hielten dagegen. Die Behauptung, die deutschen Korrespondenten in China würden „absichtlich falsch berichten“, sei eine „Unverschämtheit“, blaffte Johannes Hano, Chef des ZDF-Büros in Peking, zurück und fragte, ob denn auch die Chinesen, die für ihre Ansichten eingesperrt würden, gemeint seien, wenn von Beleidigung gesprochen wurde. Andreas Lorenz, der seit Jahren aus Peking für den „Spiegel“ schreibt, versicherte, er sei durchaus nicht China-feindlich. Er berichte „nicht negativ, sondern nur über negative Ereignisse und Entscheidungen“.

Dialoge dieser Art wiederholten sich mehrfach und dokumentierten den tiefen Graben, der zwischen den Vorstellungen beider Seiten über die Aufgabe der Medien klafft. Die Deutschen präsentierten sich vor allem als kritische Kontrolleure, auch wenn das längst nicht immer stimmt. Ihre chinesischen Gesprächspartner ließen dagegen keinen Zweifel daran, dass die Arbeit der Journalisten vorrangig der Volkserziehung diene und im internationalen Bereich die Völkerverständigung zu fördern habe.

Neben dem Schlagabtausch hatte die Tagung auch Einsichten zu bieten. Als hilfreich empfanden die chinesischen Teilnehmer die Erklärung, die Matthias Naß, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“, für die anschwellende Chinakritik lieferte. Letztlich handele es sich um eine „Normalisierung“, sagte Naß, die nur Chinas wachsende Bedeutung widerspiegele. Zum Vergleich müsse man nur die weit häufigeren „negativen“ Berichte über die US-Politik verfolgen. Und Stefan Kornelius, Auslandschef der „Süddeutschen Zeitung“, erläuterte den Kollegen aus Fernost, dass so mancher Fehler in der Berichterstattung auch auf den Druck des Marktes zurückgehe, der Journalisten zwinge, mit immer weniger Mitteln immer mehr zu produzieren. Gudrun Wacker, China-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, brachte wiederum die Deutschland-Berichterstattung chinesischer Medien dann noch auf den Punkt. Das einzig wichtige politische Thema sei nur, „wie die Deutschen und ihre Regierung zu China stehen“.

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