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Medien: "Junge Welt": Der Kuckuck kommt

Dass es den linken Zeitungen in Deutschland nicht besonders gut geht, ist nichts Neues. Allein im vergangenen Jahr gab es zahlreiche medienwirksame Rettungskampagnen.

Dass es den linken Zeitungen in Deutschland nicht besonders gut geht, ist nichts Neues. Allein im vergangenen Jahr gab es zahlreiche medienwirksame Rettungskampagnen. Ob die "tageszeitung" für sich eine Restlaufzeit forderte, die Wochenzeitung "Freitag" ihre Leser zu Spenden aufrief oder ob die "Junge Welt" den Slogan ausgab: "Von wegen unbankrottbar - 1000 neue Abos oder Kuckuck": Allen Kampagnen war gemein, dass sie die Zeitungen vor dem Aus retten konnten. Eine ganz neue Entwicklung ist nun, dass es der "Jungen Welt" finanziell scheinbar so schlecht geht, dass selbst auf eine Rettungsaktion verzichtet wird. "Wir wollen jetzt ganz grundsätzlich wissen, ob die "Junge Welt" überhaupt noch gebraucht wird", sagt Chefredakteur Arnold Schölzel.

Zusammen mit dem Geschäftführer Dietmar Koschmieder ließ er daher kürzlich in einer Ausgabe der Zeitung eine Erklärung veröffentlichen, die die prekäre Situation den Lesern erklären sollte: Die Abonnentenzahlen seien zwar stabil, aber die 14 000 verkauften Exemplare könnten die Betriebskosten nicht decken. Für das laufende Jahr werde zudem durch Preiserhöhungen bei Druck und Postzustellung mit einer zusätzlichen Belastung von mindestens 75 000 Mark gerechnet. Wenn es in der nächsten Zeit nicht gelinge, den Bestand an bezahlten Abonnements deutlich zu erhöhen, müsse die Zeitung eingestellt werden. "Wir brauchen mindestens 800 neue Abos, um zu einer ausgeglichenen Bilanz zu kommen", sagt Chefredakteur Schölzel. Bei mehr als 1000 neuen Bestellungen könne man den verkleinerten Redakteursstab wieder aufstocken, neue Rubriken entwickeln oder die veraltete Technik ersetzen.

Seit dem Mauerfall ist die Entwicklung des Blattes dramatisch. Die 1947 gegründete Zeitung war bis zur Wende mit rund 1,6 Millionen Exemplaren das auflagenstärkste Blatt der DDR. Nach der Wende sank die Auflage kontinuierlich, bis die Zeitung 1995 mit nur noch 30 000 verkauften Exemplaren für kurze Zeit eingestellt werden musste. Mit der Gründung des "Verlag 8. Mai" konnte die "Junge Welt" dann aber doch noch gerettet werden und kurz darauf wieder erscheinen. Durch starke Kosteneinsparungen erzielte sie bis 1997 trotz anhaltender Aboverluste sogar bescheidene Gewinne, die aber schon 1998 wieder aufgebraucht waren. 1999 folgte das bisher schlechteste Geschäftsjahr. Die Verluste gingen in den sechsstelligen Bereich. 2000 konnten die Defizite dank der "Unbankrottbar"-Kampagne zwar niedrig gehalten werden, die Ressourcen vom Verlag waren jedoch schon ausgeschöpft.

Die schwachen Abonnentenzahlen lassen eine grundsätzliche Frage aufkommen. Besteht überhaupt noch Bedarf an einer linken Tageszeitung? "Die Arbeit der Bundesregierung in den letzten drei Jahren, der Jugoslawienkrieg und nicht zuletzt unsere sehr gut besuchte Internetseite gibt uns Grund genug, daran zu glauben", sagt Chefredakteur Schölzel. Nach eigenen Angaben wurden die Seiten der "Jungen Welt" im Januar 1,43 Millionen Mal aufgerufen, 56 000 Besucher nutzen die Internet-Ausgabe regelmäßig. Zwei Monate habe man daher redaktionsintern darüber diskutiert, ob man eine Art Internet-Abo einführt, nur einen Teil der Zeitung ins Netz stellt oder möglicherweise gar das Archiv kostenpflichtig machen soll. "Aber unsere Klientel von Schülern, Studenten und Rentnern ist nicht die zahlungskräftigste", meint Schölzel.

Jetzt wird die "Junge Welt" versuchen, das lockere Interesse an der Zeitung in Abonnements umzumünzen. Wenn das nicht gelingt, muss die Zeitung im nächsten Jahr eingestellt werden. Dieses Jahr, schätzt Schölzel, könne man wohl noch weiter machen. Aber einfach nur weitermachen, ist nicht das Ziel. Schließlich wolle man eine verbesserte "Junge Welt" anbieten.

Hendrik Vöhringer

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