zum Hauptinhalt

Medien: Kampf um die Kieze

Eine Woche Hauptstadt, bitte: die Berlin-Nachrichten der Sender RBB, TV.B und FAB im Vergleich

Berlin ist eine vielgesichtige Stadt. Was man für ein Bild von ihr erhält, hängt stark davon ab, aus welchem Blickwinkel man auf sie schaut. Dieser Effekt potenziert sich, wenn der Blick über den Umweg des Mediums Fernsehen erfolgt.

Berichterstattung aus der Region bieten in Berlin drei Fernsehsender. Neben dem RBB-Fernsehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) operieren zwei kommerzielle Sender in der Stadt: Fernsehen aus Berlin (FAB) und TV.Berlin (TV.B).

Die Nachrichtensendungen dieser drei TV-Stationen richten höchst unterschiedliche Blicke auf die Hauptstadt. So beginnen die Hauptnachrichten von FAB um 20 Uhr häufig mit Bildern aus Washington, Kabul oder Bagdad; zwei Drittel der Sendezeit und mehr bestehen aus recht willkürlich zusammengestellten internationalen und nationalen Nachrichten. Am Donnerstag wurde ein brennendes Schiff in der Antarktis thematisiert, am Mittwoch war es das Hochwasser in Mosambik. In den letzten Minuten der Nachrichtensendung finden nur wenige Meldungen aus Berlin Platz: der aufsehenerregende Skandal im Berliner Lazarus-Pflegeheim, über den die RBB- „Abendschau“ am Mittwoch berichtet hatte, war der FAB-Redaktion weder am Mittwoch noch am Donnerstag eine Meldung wert. Weitere wichtige Regionalnachrichten wie das Gerichtsurteil zur Schließung des Flughafens Tempelhof oder Konsequenzen aus dem Medikamentenskandal im Strafvollzug meldete FAB erst einen Tag später als die Konkurrenz.

Bei der Themenauswahl ähnelt das Magazin „Hallo Berlin – Aktuell“ (19 Uhr) den Hauptnachrichten von FAB. Zwar besprach Moderator Honza Klein diese Woche mit seinen Studiogästen auch Themen wie die Berlinale, doch überwiegen auch hier Deutschland- und Weltnachrichten. FAB-Redaktionsleiter Markus Zimmermann hat sich bewusst für diesen Themenmix entschieden. „Wir achten immer darauf, dass wir nicht die gleichen Themen bedienen wie die Kollegen vom RBB“, sagt er und glaubt, dass der Zuschauer von „Fernsehen aus Berlin“ nicht nur Nachrichten aus Berlin sehen möchte. Dies sieht Zimmermann durch die Akzeptanz des Publikums bestätigt: „173 000 Zuschauer sehen täglich ‚Hallo Berlin’!“ So lautet zumindest das Ergebnis einer Zuschauerbefragung, die Forsa im Auftrag von FAB durchführte.

Trotzdem plant FAB einige Veränderungen: „Ab Ende März wird die Sendezeit von ‚Hallo Berlin’ erweitert und ein Schwerpunkt auf Berlin und Brandenburg gelegt, außerdem wird es Sportmeldungen geben“, sagt der Redaktionsleiter. Deutschland- und Weltnachrichten werden bald schon ab 12 Uhr gesendet – momentan beginnen sie erst um 17 Uhr. Dafür stockt die Redaktion die Zahl der journalistischen Mitarbeiter von vier auf zehn auf.

„Wo Berlin draufsteht, muss auch Berlin drin sein“, sagt TV.B-Chefredakteur Jörg-Stephan Schläwe. Und so zeigt sich die Nachrichtensendung „TV.B aktuell“ auch, die werktäglich von 17 bis 23 Uhr zu jeder vollen Stunde läuft. Die Themen sind konsequent nach ihrem Berlinbezug ausgewählt. Das Gerichtsurteil zu Tempelhof am Montag wird ausführlich gewürdigt und über den Medikamentenskandal im Gefängnis kontinuierlich, vollständig und recht aktuell berichtet.

Zwar kommt es hin und wieder vor, dass eine Meldung schon am Vortag in der „Abendschau“ des RBB gelaufen ist, doch produziert die zehnköpfige Redaktion von TV.B immer noch schneller als FAB. „Im Laufe des Abends aktualisieren wir je nach den Ereignissen noch einmal die Sendungen“, sagt Schläwe und betont, dass TV.B eine seriöse Nachrichtensendung möchte. „Lockerer geht es in den Formaten ‚Citylife’ und ‚Goldelse’ zu, denn wir wollen Berlin so abbilden, wie es ist, und die Stadt besteht ja nicht nur aus dem Senat und seinen Problemen.“

Der Einstieg des Axel-Springer-Verlags bei TV.B im November 2006 hatte bisher noch keine sichtbaren Konsequenzen, eventuell wird es bald eine Sendung in Zusammenarbeit mit einer Zeitung aus dem Hause Springer geben. Außerdem soll in diesem Jahr ein Frühstücksfernsehformat auf Sendung gehen.

Zur Zahl der Zuschauer von TV.B existiert lediglich eine Umfrage aus dem Jahr 2004, nach der täglich zwischen 169 000 und 221 000 Zuschauer den Lokalsender einschalten.

Über solche Zahlen kann Peter Laubenthal, Redaktionsleiter der RBB-„Abendschau“, nur lächeln. „Quoten von TV.B und FAB? Nicht messbar!“, sagt er und hält die Ergebnisse der Umfragen für viel zu hoch gegriffen. Die „Abendschau“ dagegen habe laut GfK-Forschung eine tägliche Quote von bis zu 300 000 Zuschauern. Für diese Sendung stehen dem gebührenfinanzierten Sender ganz andere Mittel zur Verfügung als den privaten Sendern: Allein 40 Journalisten sind für die Redaktion der „Abendschau“ tätig, die zudem auf aktuelles Sendematerial der anderen ARD-Anstalten zugreifen kann. Dazu kommt eine umfangreiche technische Ausstattung, die kurzfristige Liveschaltungen zu Reportern überall in der Stadt ermöglicht.

Die „Abendschau“ liefert an sieben Tagen der Woche einen umfangreichen Überblick über das Geschehen in der Stadt, am Wochenende ist sie damit sogar Monopolistin, weil FAB gar keine Nachrichten und TV.B nur einen Zusammenschnitt aus den Beiträgen der vergangenen Woche sendet. Bei Themen wie dem Medikamentenskandal und dem Verdacht auf Betrug im Lazarus-Pflegeheim war der RBB diese Woche am schnellsten und konnte mit exklusiven Informationen, prominenten Studiogästen und ausgewogener Berichterstattung aufwarten. Beim Bericht über das Gerichtsurteil zum Flughafen Tempelhof kamen im RBB Gegner und Befürworter der Schließung zu Wort, während bei TV.B Argumente für die Schließung völlig fehlten.

Bisweilen schweift die Redaktion der 30-minütigen RBB-Sendung zu sehr auf Unterhaltungsthemen ab. Diese Woche wurde fast täglich zum Berlinale-Palast geschaltet, auch wenn nur über Kinofans, die an der Kasse warten, berichtet wurde; am Valentinstag befasste sich ein Beitrag minutenlang mit Firmen und Schornsteinfegern, die den Namen Valentin tragen. Moderator Friedrich Moll freute sich zwar riesig über beide Beiträge, aber ihre Relevanz für eine Nachrichtensendung war nicht immer klar.

Auf jeden Fall hat, wer sich für das Geschehen der Hauptstadt interessiert, eine breite Auswahl: entweder knapp und nüchtern bei TV.B, ausführlich und unterhaltsam im RBB oder im Komplettpaket mit Weltnachrichten beim FAB. Welche Nachrichtenredaktion das beste Resultat liefert, ist eine Frage von Interesse und Geschmack.

Frieder Bechtel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false