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Medien: Kein Ende absehbar

Solidaritätsadressen für „Times“-Reporterin Miller. Sie ist seit 7. Juli in Haft

Seit sieben Wochen sitzt Judith Miller von der „New York Times“ jetzt im Gefängnis. Die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Reporterin hatte sich geweigert, einer Untersuchungskommission Auskunft über vertrauliche Gespräche mit Regierungsvertretern zu geben. Patrick Fitzgerald, der Leiter der Untersuchung, hatte deshalb Beugehaft gegen Miller verhängen lassen. Und die kann dauern: Die Kommission tagt erstmal bis Oktober, Verlängerung möglich.

Ausgerechnet Judith Miller ist das Opfer einer Untersuchungskommission der Bush-Regierung: eine der prominentesten Befürworterinnen für den Irakkrieg und Kronzeugin für Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen. Aber wer hier Freund und wer Feind ist, da steigen selbst US-Kollegen kaum noch durch. Zudem hat Miller keine einzige Zeile über den Fall geschrieben, den die Kommission untersucht, eine weitere Ungereimtheit dieser Geschichte, in der sich politische Interessen, persönliche Feindschaften und komplizierte juristische Erwägungen fast unentwirrbar verbinden.

Ausgangspunkt war die Enttarnung einer CIA-Agentin, darauf steht in den USA Gefängnis. Wer das Geheimnis verraten hat, dass sich hinter „Valerie Plame“ Frau Wilson verbirgt, das soll die Kommission klären. Pikanterweise ist „Plame“, so ihr Mädchenname, die Frau von Botschafter Joseph Wilson, der der Bush-Regierung öffentlich vorgeworfen hatte, Geheimdienstmaterial manipuliert zu haben, um den Irakkrieg zu rechtfertigen. Wenige Tage später erschienen Deck- und Klarname seiner Frau in mehreren Medien, als Quelle wurden „hohe Regierungsvertreter“ angegeben. Das Justizministerium ordnete eine Untersuchung an. Im Dezember 2003 beauftragte das Weiße Haus Fitzgerald, einen ehrgeizigen Staatsanwalt.

Journalisten anderer Blätter waren bereit, vor Fitzgerald auszusagen. Dabei kam heraus, dass sie Präsident Bushs Politstrategen Karl Rove und Vizepräsident Cheneys Stabschef Lewis Libby gesprochen haben. Doch Rove betont, Wilsons Decknamen nicht genannt zu haben.

Wie Fitzgerald ausgerechnet auf Judy Miller kam, ist ebenso ungeklärt wie die Frage, was er sich von ihrer Befragung erhofft. Vermutlich hat er ihren Namen auf den Telefonlisten gefunden, die alle Anrufer des Weißen Hauses registrieren. Die „Times“ hatte zwar nach dem Debakel ihrer Serie über Saddams angebliche Waffenprogramme versucht, sie von solch heiklen Themen fernzuhalten, aber „Judy war nicht zu bremsen, wenn sie hinter einer Story her war“, so erzählen Kollegen.

Fitzgerald und Miller waren sich schon einmal vor Gericht begegnet, in Chicago 2004. Dort wollte er die Quellen für ihre Geschichten über islamische Wohlfahrtsorganisationen erfahren, die im Verdacht stehen, Terror zu finanzieren. Damals unterlag er.

Die „New York Times“ unterstützt ihre Reporterin nach Kräften, schließlich steht eine Prinzipienfrage hinter dem Fall: In 49 US-Einzelstaaten gibt es Gesetze zum Informatenschutz, warum gilt er nicht auf Bundesebene?

Kollegen schicken Miller Solidaritätsadressen ins Gefängnis, auf der Meinungsseite erscheinen immer wieder Editorials oder Gastkommentare zur Verteidigung des Quellenschutzes. Vor wenigen Tagen schrieb Bob Dole, früherer republikanischer Präsidentschaftskandidat, einen Aufruf, ein fehlendes Informantenschutzgesetz auf Bundesebene zu verabschieden. „Es ist entscheidend, dass Journalisten ihre Quellen schützen können“, sagt Verlagssprecherin Catherine Mathis dem Tagesspiegel. „Ohne verlässlichen Informantenschutz wären Skandale wie Watergate nie ans Licht gekommen.“ Aber Millers Lage ist nicht einfach, nachdem Journalisten der anderen Medien wie Matthew Cooper vom „Time“-Magazine vor der Kommission ausgesagt haben.

Die umstrittene Diva Judith Miller leidet für ihre Überzeugung – aber gewinnt den Respekt vieler Kollegen zurück. Zum 50. Tag im Gefängnis wird die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ den USA eine lange Unterschriftenliste überreichen. Aus Paris soll dann auch deren Generalsekretär anreisen und Judith Miller im Gefängnis besuchen.

Christoph von Marschall Washington

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