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Foto: dpa

© Helge Kirchberger Photography

Kein Sex, kein Trash: Privatsender Servus TV soll den Öffentlich-Rechtlichen Konkurrenz machen

Red-Bull-Erfinder Dietrich Mateschitz will mit seinem Sender Servus TV die deutsche Fernsehlandschaft revolutionieren - ganz ohne Sex und Trash.

Der Name klingt nicht gerade fortschrittlich: Servus TV. Eher wie Alpensaga-Fernsehen mit Toni Sailer aus den 50ern, dazu passend ein geschwungenes Logo mit Folklore-Touch. Dabei ist der Sender gerade mal zwei Jahre alt und gilt technisch als einer der modernsten im deutschsprachigen Raum. Er gehört zum Imperium des Marketinggenies Dietrich Mateschitz, dem Erfinder der Marke Red Bull. Innerhalb von 20 Jahren hat der Energiedrink den 66-Jährigen zum fünffachen Milliardär und drittreichsten Mann Österreichs gemacht. Jetzt will er mit Servus TV nicht weniger als die deutschsprachige Fernsehlandschaft revolutionieren.

Mateschitz besitzt bereits Fußballclubs in Österreich, Deutschland und den USA, mit seinem Ausnahmefahrer Sebastian Vettel dominiert er zurzeit die Formel 1. Mit seiner Firma Red Bull Media House, zu der auch Servus TV gehört, betreibt er eine Radiostation in Neuseeland, das Magazin „Red Bulletin“, das in einer Auflage von 4,6 Millionen Exemplaren hergestellt wird und Tageszeitungen in neun Ländern beiliegt (in Deutschland der „FAZ“) sowie seit November 2010 das Hochglanzmagazin „Servus in Stadt & Land“, das auch dazu dient, den Sender im Alpen-Donau-Adria-Raum bekannt zu machen.

Im österreichischen Wals-Himmelreich, einem Vorort von Salzburg, hat der Sender seinen Sitz. Knapp 200 Mitarbeiter, darunter 90 Redakteure, arbeiten im fünften und sechsten Stock eines mintgrünen Gebäudes namens „Greentower“ und an zwei weiteren Standorten. Vor knapp zwei Jahren, am 1. Oktober 2009 ist Servus TV zum ersten Mal auf Sendung gegangen und soll den österreichischen, schweizer und deutschen Markt, den sogenannten Alpen-Donau-Adria-Raum, erobern – und zwar mit einem Programm, bei dem Kultur und die Vermittlung von Wissen einen zentralen Platz einnehmen.

Sex und Trash werden bei Servus TV rigoros abgelehnt, und das, obwohl Servus TV ein Privatsender ist, der irgendwann mal Geld verdienen will, also Einschaltquoten braucht. Doch Mateschitz will Erkenntnisse aus 25 Jahren Privatfernsehen in Deutschland auf den Kopf stellen und einen Sender aufbauen, der den Öffentlich-Rechtlichen das Fürchten lehrt und den Privaten die Werbekunden abjagt.

Dabei hätte es bei Mateschitz’ Hintergrund eigentlich nahe gelegen, einen Sender zu gründen, der sich um Sport in allen Varianten, ein paar hübsche Mädchen und die süße Brause dreht, aber Kultur? „Herr Mateschitz ist ein Mann, der hochgebildet und hochinteressiert ist“, sagt Wolfgang Pütz, Programmdirektor von Servus TV. „Er interessiert sich sehr für Sport, für Formel 1 und Fußball, aber er interessiert sich auch sehr für seinen Sender, das ist ihm ein großes Herzensanliegen.“

Vergangenes Jahr gelang es den Machern von Servus TV Neil Armstrong, der als erster Mann den Mond betrat und der als medien- und öffentlichkeitsscheu gilt, anlässlich seines 80. Geburtstages in den „Talk im Hangar 7“ zu holen, wo er auf seinen ehemaligen russischen Kontrahenten Alexej Leonow stieß. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, moderierte die Sendung.

Erstmals hat Arte in diesem Jahr eine Servus-TV-eigene Produktion gekauft, eine international beachtete Dokumentation über den Dirigenten Carlos Kleiber, die kürzlich mit einem „Echo“ für die Musik-DVD-Produktion des Jahres ausgezeichnet wurde.

Werbetreibende sollen bei Servus TV „ein klar definiertes, niveauvolles Publikum“ finden, sagt Pütz. Die werbetreibende Industrie zögere immer mehr, in trash- und sexgeschwängerten Sendeumfeldern ihre Produkte anzubieten“, ist er überzeugt, „das ist die Chance von Servus TV.“ Werbung für Red Bull ist beim Sender hingegen nur sporadisch zu finden (vor allem im „Red Bull TV-Fenster“).

Als in Deutschland das Privatfernsehen vor einem Vierteljahrhundert Einzug hielt und eine ganz neue Art von Fernsehen zeigte, waren an der Entwicklung maßgeblich Österreicher wie Helmut Thoma, Gerhard Zeiler und Hans Mahr beteiligt – und das, obwohl es in Österreich erst seit 2001 Privatfernsehen gibt. Bei Servus TV läuft es nun genau anders herum. Mateschitz hat den 51-jährigen Pütz 2008 vom Bayerischen Rundfunk abgeworben, wo er für Bildung und Kultur zuständig war. Die Vision eines Privatsenders mit besonderem Profil hat er ihm offenbar derart schmackhaft gemacht, dass Pütz seinen sicheren Job in München kündigte und nach Salzburg zog. Wegen einer Erkrankung wird Pütz den Sender offenbar bald wieder verlassen müssen.

Doch nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera findet man zahlreiche Deutsche. Altgediente Fernsehgrößen wie Frank Elstner, Fritz Pleitgen, Hellmuth Karasek, Elke Heidenreich oder Ruprecht Eser moderieren bei Servus TV Sendungen wie „Talk im Hangar“ und die Vermutung liegt nahe, dass sie hier auch eine neue Heimat gefunden haben, um deutsche Fernsehzuschauer anzulocken.

Allerdings ist das Publikum, das die Werbetreibenden bei Servus TV antreffen sollen, noch recht überschaubar. In Österreich liegt der Marktanteil bei 0,8 Prozent, in Deutschland und der Schweiz ist er noch nicht messbar. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Sender nur digital oder per Satellit empfangbar und im Senderranking meist ziemlich weit hinten gelistet ist. Seit dem 1. Januar 2011 sendet Servus TV via Satellit auch ein eigenes, unverschlüsseltes Signal für Deutschland, zudem wurde eine große Marketingkampagne gestartet, um den Sender auch im Nachbarland bekannt zu machen.

Während man in den Programmzeitschriften schon zu fast 100 Prozent vertreten sei, sagt Pütz, habe man es bei den Tageszeitungen noch schwer. Der Platz sei begrenzt, und viele Programmredaktionen fragten sich, warum sie einen Sender abbilden sollen, den in Deutschland bisher kaum jemand wahrnimmt. Um das zu ändern, erscheint seit Mai jeden Tag eine fast zehn mal zehn Zentimeter große Anzeige mit wechselndem Motiv im TV-Programmteil der „FAZ“, mit der es auch weitere Kooperationen gibt. Ein weiteres Problem sei, dass in Deutschland bisher noch viele der Fernsehzuschauer analog fernsehen. „Da ist Servus TV noch nicht vertreten. Aber spätestens ab 1. April 2012 wird sich das ändern. Dann wird das analoge Satelliten-TV abgeschaltet und Fernsehen nur noch digital empfangbar sein“, sagt Pütz. Mittlerweile gibt es Kooperationen mit dem ZDF, einigen ARD-Anstalten, 3sat und der italienischen RAI.

Zehn Jahre habe Mateschitz dem Team gegeben, um in die schwarzen Zahlen zu kommen, zwei sind um. Noch, so Wolfgang Pütz, werde von oben kein Druck ausgeübt, „aber natürlich wird von uns erwartet, dass wir irgendwann die Kurve kriegen.“

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