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Medien: Kloeppels Hitler

Der RTL-Chefredakteur blickt auf den Führerstaat der Nazis zurück – in Farbe

Die televisionäre Rückschau auf die Nazizeit betreiben in diesen Tagen nicht allein die öffentlich-rechtlichen Sender. Auch bei RTL hat sich der lobenswerte Ehrgeiz entwickelt, dem Publikum etwas über die Zeitgeschichte mitzuteilen. Peter Kloeppel hat bereits ein halbes Dutzend Dokumentationen vorgelegt: über die bundesdeutschen Kanzler, über die Geschichte der USA und über die alliierte Invasion im Juni 1944 zum Beispiel. Brave, mäßig erhellende Stücke waren das, eine Mischung aus Minimal-Informationen und menschelnder Betrachtungsweise mit Kloeppel als „Museumsführer“, wie er sich selbst gerne bezeichnet.

Nun versucht sich der Chefredakteur an einer zweiteiligen Geschichte des Dritten Reichs („Hitler“) und erinnert in einem weiteren Film an „Stille Helden – Wie mutige Menschen Juden vor den Nazis retteten“ (8. Mai). Der gute Wille ist also da, aber auch ein Konzept, eine Idee, die aus den zahlreichen Angeboten zum 60. Jahrestag des Kriegsendes herausragt? Die Idee für die „Hitler“-Doku lautet: das Wichtigste über den Nationalsozialismus für ein junges, wenig informiertes Publikum – hautnah und in Farbe. „Wir wollen Geschichte aufleben lassen, nicht nur durch Politik und Bilder von Aufmärschen, sondern auch in den privaten Momenten“, sagt Peter Kloeppel.

Allein farbige Filmausschnitte werden gezeigt, zu rund drei Vierteln stammen sie von Amateuren: von deutschen Soldaten oder von ausländischen Touristen, die Deutschland in den Dreißigerjahren bereisten. Das Dritte Reich in Farbe hat bereits Spiegel TV vorgeführt, RTL arbeitete dagegen mit der britischen Produktionsfirma TWI zusammen, die sich auf das Aufstöbern von farbigen Filmdokumenten spezialisiert hat. Kein Bild sei nachkoloriert oder manipuliert worden, heißt es. Neben den Aufnahmen anonymer privater Quellen ist auch Filmmaterial des Hitler-Piloten Hans Bauer und sind Bilder vom Nürnberger Reichsparteitag 1938 oder eines Besuch Hitlers in seiner ehemaligen Schule in der Nähe von Linz zu sehen. Zeitzeugen kommen nur aus dem Off zu Wort; die Auszüge aus Briefen oder Tagebüchern werden von Schauspielern gelesen. Auch Hitler selbst ist nicht im Originalton zu hören. Die Zitate des Führers trägt Manfred Zapatka mit kalter, beißender Stimme vor. Zwischendurch befragt Kloeppel im einstigen Gerichtssaal der Nürnberger Prozesse den Hitler-Biografen Joachim Fest.

Es gibt eindringliche Momente, etwa wenn zu den Berichten aus Stalingrad die Zinnsoldaten beim Weihnachtsfest einer deutschen Familie aufmarschieren. Doch zu selten schafft es Kloeppel, aus der Bilder-Not eine Tugend zu machen. Es gibt keine Farbbilder von den Kämpfen aus Stalingrad – und von vielen anderen Ereignissen auch nicht. So wird doch vornehmlich marschiert und paradiert, dass einem die falsche Nazi-Idylle schnell zu bunt wird. Die wenigen Farb-Dokumente der Nazi-Schrecken werden dagegen allzu plakativ eingesetzt: Ganz nahe zoomt die Kamera an die Leichenberge im befreiten KZ Buchenwald heran. So hautnah muss es wirklich nicht sein.

Die Doku „Hitler“ ist ein Dokument der Beschränkung, vor allem weil sich allein mit Farbaufnahmen die Geschichte des Dritten Reichs nicht erzählen lässt. Außerdem werden die Ereignisse vor 1933 nahezu ignoriert. Und zuweilen treibt der Wunsch nach dem Leichten, dem allzu Menschlichen ärgerliche Blüten. „Wie viel Großartiges hat der Führer doch erreicht“, wird eine 14-jährige Ingeborg aus dem Jahr 1937 zitiert. Die Kommunisten seien aus Deutschland verschwunden, jubelte damals das Mädchen, und auch die Arbeitslosigkeit. „Aber Hitler hat ein Geheimnis“, raunt gleich anschließend Kloeppel. Vielleicht etwas, was mit dem Verschwinden von Kommunisten und Arbeitslosen zu tun hat? Keineswegs: „Hitler hat eine Geliebte!“ Es folgen mehrere Minuten zum Thema Eva Braun (als Badenixe ausgiebig im Bild), gekrönt von einem Männergespräch (Kloeppel, Fest) zur Frage, wo Hitler denn sonst, wenn nicht bei Frauen, Erfüllung gefunden habe.

Wenn man bedenkt, dass Peter Kloeppel gerade die jungen, wenig vorgebildeten Zuschauer erreichen will, ist eine solche Geschichtsbetrachtung nur begrenzt amüsant. Hoffentlich weiß das RTL-Publikum mehr als ihm der Chefredakteur zutraut.

„Hitler – Verführer des Volkes“: RTL, 1. Teil Sonntag, 22 Uhr 45, 2. Teil 1. Mai

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