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Medien: Korrigiertes „Kursbuch“

Neue Herausgeber, neuer Verlag, neues Format

Die 68er sind eine sehr zähe Truppe, aller feindlichen Übermacht zum Trotz. So wenig, wie Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine die Politik bleiben lassen wollen, so wenig wollen sich Michael Naumann und Tilman Spengler aus der Publizistik verabschieden. Unterschied: Schröder und Lafontaine kämpfen gegeneinander, Naumann und Spengler miteinander – und für das „Kursbuch“. Naumann und Spengler firmieren mit der nächsten Ausgabe der Vierteljahresschrift als deren neue Herausgeber. Aufs verantwortliche Publizieren verstehen sich beide: Naumann aktuell als Mitherausgeber der „Zeit“, Spengler ist seit 25 Jahren darum besorgt, dass das „Kursbuch“ nicht vor der Zeit in die Annalen der deutschen Publizistik eingeht. Denn eines ist wahr: Das „Kursbuch“, vor 40 Jahren von Hans Magnus Enzensberger und seinen Freunden gegründet, brauchte eine neue, eine stabile Plattform; Zuletzt im Rowohlt Verlag erschienen, bietet ihm künftig der Zeit-Verlag eine Zukunft.

Bei der Vorstellung des Heftes, das vom 25. August an für zehn Euro vertrieben wird, wollten die Herausgeber zunächst die jüngsten Vorwürfe von der „Hauspostille der 68er“ entkräften. Spengler sagte am Mittwoch in Berlin, seinem „schlechten Ruf, ein Magazin der 68er zu sein“ zum Trotz sei das „Kursbuch“ heute „eine Veranstaltung von verschiedenen Leuten mit verschiedenen Meinungen, die von denen ernst genommen wird, auf die es letztlich ankommt“. Es gebe in Deutschland noch immer keinen anderen Platz für die ausführliche Form des Essays „voller Neugier und mit den Gedanken der Aufklärung“. Das Heft werde kein politischer Monolith, so Naumann. Dass der Ex- Kulturstaatsminister den Kreis der potenziellen Leser, „die sich berufsmäßig Zeit nehmen, sich selber fortzubilden“, sehr weit zog, unterstreicht die Notwendigkeit des „Kursbuchs“, außer mit Freude und Stolz kostendeckend publiziert zu werden. Nach Naumanns optimistischer Angabe liegt die aktuell verkaufte Auflage bei 8000 Exemplaren. Künftig sollen es für 15 000 bis 20 000 sein: Neben dem Buchhandel soll das Heft künftig auch über 800 ausgewählte Zeitungskioske verkauft werden. Damit das Auflagenziel erreicht wird, hat sich das „Kursbuch“ erheblich verändert. Aus der Vierteljahresschrift ist eine Vierteljahreszeitschrift geworden. Im Format fast auf „Cicero“Größe angewachsen (wo auch freundliche Konkurrenz gesehen wird), ist zugleich der strenge Auftritt purifizierter Text-Konzentration einer sinnlicheren Anmutung gewichen. Optik, viel Optik: Weißraum, Vignetten, Fotos, Karikaturen akzentuieren die 130 Seiten.

Dass das „Kursbuch“ im Zeit-Verlag erscheint, bestimmt den Zirkel der Schreibenden mit: „Zeit“-Autoren wie Susanne Ganske, Thomas Assheuer und Thomas E. Schmidt fehlen nicht. Dass der Zeit-Verlag wiederum zur Verlagsgruppe Holtzbrinck gehört, verhilft dem „Kursbuch“ zu appetitanregenden Vorabdrucken aus Büchern, die in Verlagen der Verlagsgruppe erscheinen. Hier wird nicht nur interdisziplinär gedacht, hier wird crossmedial gearbeitet.

Natürlich, da bleibt das „Kursbuch“ nicht stehen. Es finden sich durchargumentierte Texte wie Franziska Augsteins über „Das Proletariat wählt rechts“ oder Michael Jürgs „Wahre Geschichte eines sonderbaren Sündenbocks“ mit Namen Rudolf Scharping. Und weil das Heft über „Wahl und Wählen – Schuld und Schulden“ geht, führt Bundesfinanzminister Hans Eichel aus, wie es zum ungebremsten Schuldenmachen in der Republik kommen musste, ja dass Schulden zur Demokratie gehören. Worüber Jürgen Busche schreibt? Über „Und es gab sie doch – die 68er“. Ein Abschied.

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