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Medien: Kreativ-Wettbewerb des ADC: Ein Hangar voller Ideen

Ob man Michael Schumacher sagen muss, dass er schnell fahren soll? Oder Krimiautoren, dass sie spannend schreiben sollen?

Ob man Michael Schumacher sagen muss, dass er schnell fahren soll? Oder Krimiautoren, dass sie spannend schreiben sollen? Die Kreativen in Deutschland haben es offensichtlich nötig, dass man sie darauf hinweist, dass sie kreativ sein sollen. Und um auch den letzten Werber davon zu überzeugen, haben Sebastian Turner und André Kemper, die neuen Chefs des Art Directors Clubs (ADC), eine Studie in Auftrag gegeben. Pünktlich zum 37. Kreativ-Wettbewerb des ADC ist nun auch wissenschaftlich bewiesen: Michael Schumacher muss schnell fahren, um zu gewinnen, Werbung muss kreativ sein, um zu wirken. Die Studie hat festgestellt, dass die vom ADC prämierte Werbung der letzten Jahre auch überdurchschnittlich erfolgreich war. Kreativität lohnt sich also.

Der Hangar II des Tempelhofer Flughafens ist voll von kreativen Ideen. Ideen auf weißen Stellwänden, zwischen denen Menschen mit Klippboards stehen und sich grübelnd über Plakate, Zeitungsanzeigen, Fotografien, Illustrationen und Broschüren beugen oder angestrengt der Radiowerbung, den TV-Spots folgen. Durch 27 Kategorien ackern sich diese Menschen seit zwei Tagen. Davon ausgenommen ist die Jury, die sich um die Interaktiven Medien kümmert. Sie klickt sich schon seit zwei Wochen durchs Web. Knapp 7000 Exponate wurden eingereicht. So viel wie in keinem Jahr zuvor.

Im Hangar II begegnet man einer zerrupften Angela Merkel, mit der die CDU im vergangenen Jahr nach einer Agentur suchte, die mehr aus ihrem angeschlagenen Typ machen sollte. Für Lufthansa wirbt ein von Schülerhand verunstaltetes Reklame-Heft: Aus Theodor Fontanes Effi Briest wird "Theodor Fontänes Effi Pisst". Und drunter steht: "Gelangweilt von der Schule? Werde Pilot". Auch Frank Schirrmacher ist da - in Gestalt der "FAZ"-Genomseiten. Er hatte zur Entschlüsselung des Genoms das Feuilleton mit Buchstabenreihen des menschlichen Bauplanes volldrucken lassen. Da es für Zeitungen keine Kategorie gibt, die Idee aber so außergewöhnlich war, wurden Schirrmachers Seiten in die Rubrik Zeitschriften-Beiträge aufgenommen - und gewannen Gold.

Das "SZ-Magazin" gewann Gold in der Kategorie Zeitschriften-Gestaltung: Mit der Ausgabe "Deutschland 2000", in der im gesamten Heft die Wörter, die die Deutschen im Internet am häufigsten in die Suchmaschinen eingeben, abgedruckt waren. Am häufigsten wurde übrigens "Sex" nachgefragt - nämlich 1 164 888 Mal.

Insgesamt wurden elf Goldmedaillen in elf Kategorien vergeben, 42 Mal gab es Silber, 98 Mal Bronze. Viel zu viele Preise, findet Tagesspiegel-Kolumnist Reinhard Siemes, seit 1973 Jury-Mitglied. "Die meisten Anzeigen würden bei internationalen Wettbewerben noch nicht einmal aus dem Keller geholt." Dass dennoch so viele Preise vergeben werden, liege wohl daran, dass man den Jüngeren Mut machen will, vermutet Siemes. In diesem Jahr konnte man in der deutschen Werbung einen Trend feststellen, der sich vor drei Jahren schon in Cannes gezeigt hatte: Anzeigen ohne Text. Die funktionieren schneller und sind direkter. Erfunden haben das, weiß Siemes, die Brasilianer, die aus einer Not einen Trend gemacht haben - Werbung, die auch von den vielen Analphabeten in Brasilien verstanden wird.

Trends entstehen aus Extremen. Das dazugehörige Risiko wollen Deutsche aber nicht eingehen. Vielleicht ist das der Grund, warum die deutschen Kreativen sich einen alten Trend zu eigen machen anstatt selbst einen zu erfinden.

Kerstin Kohlenberg

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