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Wer war’s? Thomas Hafner (Max Riemelt) gerät für die Münchner Kommissarin Hanna Weiß (Katja Flint) unter Mordverdacht. Foto: ZDF

© Jürgen Olczyk

Krimi: Der Berg ruft

Nach Meer, Watt und Spreewald will das ZDF die Berge als Kulisse für den Kriminalfilm erobern: Katja Flint und Max Riemelt im ersten Alpenthriller.

Das Schandmal ist ein Kreis, in dem sich die Linien kreuzen wie in einem Sieb. Wer es in weißer Farbe an seine Tür gemalt bekommt, fliegt aus der Gemeinschaft. Ob Betrüger, Dieb oder Mörder – jeder in dem kleinen Alpendorf soll wissen, wer etwas angestellt hat. Der Vater des jungen Extrembergsteigers Thomas Hafner wurde vor zehn Jahren verdächtigt, die Kellnerin Susanne Bruckmeier vergewaltigt zu haben. Die Schmierereien am Hof trieben damals seine Mutter in den Selbstmord, Thomas Hafner (Max Riemelt), der an die Unschuld seines Vaters glaubte, wurde Polizist.

Eines Tages wird er von seinem Chef (Herbert Knaup) an die Kletterfront gerufen. An einer Felswand des Zugspitzmassivs hängt leblos ein Bergsteiger, Hafner soll ihn sicherstellen. Bei dem Versuch ihn zu bergen, unterläuft ein grober Fehler, der Mann stürzt ab und stirbt. Durch diesen Unfall gerät Thomas Hafner für die Münchner Kommissarin Hanna Weiß (Katja Flint) selbst unter Mordverdacht. Denn der Tote ist der Ehemann von Susanne Bruckmeier, der Frau, die einst sein Vater vergewaltigt haben soll. Die Dorfbewohner haben ihr Urteil über den jungen Hafner schnell gefällt. Die Schandmale am Hof kehren zurück.

Vorhang auf für diesen ersten Alpenthriller im ZDF. Nach Meer, Watt und Spreewald will der Sender nun die Berge als Kulisse für den Kriminalfilm erobern. Kein schlecht gewähltes Bühnenbild, die Alpen sind ein ehrfurchtsvolles Gebilde. Die Grenze zwischen dem germanischen Norden und dem romanischen Süden, mit ihren Hängen und Schluchten, bedeutet Abenteuer und Gefahr, Wagemut und Hindernis, und sie ist faszinierend. Aber wie einem Touristen letztlich die Bergwelt verschlossen bleibt, so geht es dem Zuschauer in diesem Krimi, bestehen die Alpen als Postkartenpanorama.

Regisseur Thomas Berger und die Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian Iwersen vermögen es nicht, sie zu entdecken. Zu breit gefächert ist die Erzählweise, sind die zahlreichen Ablenkungsmanöver, die zum Täter und an ihm vorbeiführen: Seilbahnunglück in den Dolomiten, gestohlene Akten, Verfolgungsjagden, Schädelhirntrauma, Brustkrebs. So viele Geschichten am Rande, zu viele Figuren. Die Bergwelt und ihre Bewohner, der Inzestsumpf und die Schandmale werden zum Teil einer Story, ohne dass sie darin ihre Begründung finden.

So schaut sich „Der Tote im Berg“ wie ein beliebiger Krimi an, der seine großartige Kulisse nicht schätzen kann. Für Kommissarin Hanna Weiß wird die Fahrt in die Berge zur Reise in ihr eigenes Leben. Sie versucht, einen Schicksalsschlag zu verarbeiten, schwimmt im klaren Bergsee und verguckt sich sogar in den jungen Polizeiwachtmeister. Das ungleiche Paar verbindet Einsamkeit und Sehnsucht, Illusion und Verlust, letzten Endes aber bleibt es in seinen Annäherungsversuchen stecken. Genau genommen ist dies das Leitmotiv für den ganzen Film: Der Regisseur skizziert ein paar Figuren, ohne ihre Charaktere entwickeln zu lassen, bis sie ausgereift sind. Katja Flint und Max Riemelt spielen sensibel und überzeugend, aber die Schwächen ihrer Rollen lassen sich dabei nicht übersehen. In den Bergen, sagt man, wird ein Spaziergang zu einer Wanderung. In diesem Film ist es ein Spaziergang geblieben.

„Schandmal“, ZDF, 20 Uhr 15

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