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Krimi: Zwei Könige

Gegen Kommissar Leitmayr wird ermittelt: Der 61. Münchner „Tatort“ am Sonntagabend ist einer der besten.

Wie sehr ist eine Freundschaft belastbar? Was halten zwei langjährige Kollegen aus, wenn einer der beiden jemanden erschossen hat und zudem eine interne Untersuchung gegen ihn läuft? Diese Fragen werden im 61. „Tatort“ aus München verhandelt. Die Hauptkommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) bekommen mit Julia (Sylta Fee Wegmann) eine Polizeiassistentin zur Seite gestellt. Mit ihr geht es zu einem Lehrgang. Auf der Fahrt dorthin geraten die drei in eine prekäre Situation. Auf einem Landhof explodiert vor ihren Augen ein Wagen. Im verlassenen Haus geht ein Mann urplötzlich mit der Pistole auf Julia los. Leitmayr warnt erst, dann schießt er. Der Schwerverletzte wird abtransportiert. Leitmayr hat Julia gerettet und wird belobigt. Jedoch: Die Pistole des jungen Mannes war ein Replikat. Damit verändert sich Leitmayrs Situation schlagartig. Der interne Ermittler Herr Maus (Torsten Michaelis) geht mit aller Härte gegen Leitmayr vor: Untersuchungsausschuss, Polizeipsychologin, tägliche Androhungen.

„Das wird ja wohl immer beschissener“, entfährt es Leitmayr gegenüber Batic, als sich im Gespräch mit seinen Nachbarn, Herrn und Frau Aumeister (Wolfgang Hübsch, Elisabeth Orth), herausstellt, dass der Schwerverletzte einer ihrer beiden Söhne ist: Siggi, der Jüngere. Der, den der verbitterte Vater so mag und vorzieht. „Der Siggi ist ein guter Bub.“ Immer wieder sagt der Vater das. So, als müsse er sich selbst davon überzeugen. Dabei haben sie beide etwas auf dem Kerbholz, die beiden Aumeister-Söhne Siggi (Lasse Myhr) und Markus (Stephan Zinner). Als Siggi den Verletzungen erliegt, verkompliziert sich alles. Leitmayr hat einen Toten zu verantworten.

„Der traurige König“, das ist die Geschichte eines Königs, der erkennt, dass in seinem kleinen Reich immer dann ein Mensch geboren wird, wenn ein anderer stirbt. Darüber ist er sehr traurig. Niemand kann ihn trösten. Bis eines Tages sein Hofnarr vor ihm einen Kopfstand macht und meint: „König, sieh es doch einfach andersherum, immer, wenn in deinem Reich einer stirbt, wird zugleich ein anderer geboren.“ Batic erzählt Leitmayr diese kleine Geschichte. Es ist wohl als Trost gemeint, als Rat vielleicht.

Regisseur Thomas Stiller hat das Drehbuch von Magnus Vattrodt und Jobst Christian Oetzmann verfilmt, herausgekommen ist dabei einer der besten Münchner „Tatorte“. In „Der traurige König“ stimmt alles: Die Bilder sind eisgrau. Es scheint gar keine Farbe mehr zu geben in dieser kruden Welt. Die Dialoge sind auf den Punkt genau gesetzt, die Inszenierung ist unprätentiös und nüchtern, kalt ist sie nicht. Die Schauspieler – allen voran der hier herausragend agierende Udo Wachtveitl – sind glaubwürdig und lebensnah in ihrer Darstellung. Dieser Münchner „Tatort“ ist eine Abhandlung über zweierlei: über Freundschaft und ihren Halt und Wert, über echten und falschen Familienzusammenhalt.

Gegen Ende, als Leitmayr und die Mutter der beiden erwachsenen Buben gemeinsam auf einer Bank im Krankenhaus sitzen, da sagen sie sich beide erstmals die Wahrheit. Auch Leitmayr der Frau, deren Sohn er erschossen hat. Die Szene hat in ihrer vollkommenen Schlichtheit eine Tragik, die berührend ist.

In der letzten Sequenz stellt sich Leitmayr im Kopfstand hin, als er sieht, dass es den alteingesessenen Haushaltswarenladen „Aumeister“ nicht mehr gibt – das Alte. Stattdessen ist dort eine austauschbare Kette mit greller Werbung eingezogen – das Neue. Im Handstand, kopfüber, sieht es vielleicht doch anders aus? So wie bei dem traurigen König.

„Tatort: Der traurige König“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

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