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KRITISCH gesehen: Im Kinderladen der 68er

Bei Maybrit Illner saßen am Donnerstagabend die, die einem irgendwie sofort einfallen, wenn die, die wirklich etwas zum Thema 68er zu sagen hätten wie Joschka Fischer oder Wolfgang Kraushaar, absagen.

Maybrit Illner. ZDF. Es ist das Glück der Talkshowmacher: In einer Woche des Jahres 2008, in der es in Deutschland außer dem Dekolleté von Kanzlerin Angela Merkel anscheinend kein wirklich wichtiges Thema gab, kann immer noch einer in den Redaktionskonferenzen sagen: „Moment! Wir haben doch 40 Jahre 1968! Da machen wir doch einfach eine Sendung draus! Da geht es dann zur Sache! Die einen gegen die anderen!“ Titel der Sendung dann auch: „Die 68er – Befreier oder Zerstörer?“

Bei Maybrit Illner saßen also am Donnerstagabend die, die einem irgendwie sofort einfallen, wenn die, die wirklich etwas zu dem Thema zu sagen hätten wie Joschka Fischer oder Wolfgang Kraushaar, absagen: Theatermann Claus Peymann, Meinhof-Tochter Bettina Röhl, CDU-Mensch Volker Kauder, Grünen- Mutti Jutta Ditfurth. Für den Unterbau saßen da noch Historiker Götz Aly und Journalist Heiner Bremer.

Und es dauerte tatsächlich nur acht Minuten, dann war sie da – die Kontroverse, der Streit. Peymann gegen Röhl, Bremer gegen Aly, Kauder gegen Ditfurth, sie und Peymann gegen Röhl. Warum? Weil Röhl „Mao“ gesagt hat, das sei aber zu wenig, um 68 zu erklären, man müsse halt auch Adorno sagen. Danach Geschrei, Gezänk und vor allem Rechthaberei.

Der Fernsehzuschauer dachte: „Mhm. Vielleicht meinen die einen 1968 und die anderen 1868.“ Spiegel-Online-Kolumnist Reinhard Mohr, der reflexartig reagiert, wenn es im Fernsehen um 68 geht, dachte nicht, sondern schrieb am Freitagmorgen: „Letztlich ist das Ganze doch ein flotter Einakter mit Wiederholungszwang. Bis zur nächsten Vorstellung.“

Die könnte vielleicht zum Segen aller ohne Claus Peymann stattfinden, der am Ende bedauerte, dass er nichts mehr findet, wogegen er sein kann, mit all der Leidenschaft, die 1968 in dem Mann entfacht hat. Und das hatte dann plötzlich eine ganz eigene Tragik – ging aber im Gebrüll ein wenig unter. Und so wurden alle Fragen, die man zu diesem Thema sowieso nie hatte, wieder nicht beantwortet. Maybrit Illner immerhin leitete amüsiert die Runde wie eine renitente Bande im Kinderladen.

Womit aber werden uns die Talkshowmacher im kommenden Jahr überraschen, wenn es aktuell eher dürftig ist? „20 Jahre Mauerfall – Zufall oder Schicksal?“, „60 Jahre Grundgesetz – Segen oder Fluch?“ oder vielleicht auch: „2000 Jahre Varusschlacht – Anfang oder Ende?“ Da muss man doch mal drüber reden. Matthias Kalle

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