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Medien: Kühl und flammend

Noch ein Kommissar: Christian Berkel als „Kriminalist“ ohne Privatleben im Zweiten

„Eine promovierte Physikerin und dann endet sie als tablettensüchtige Prostituierte. Was ist denn da passiert?“ In seinem ersten Fall als „Der Kriminalist“ rekonstruiert Schauspieler Christian Berkel den grausamen Abstieg einer Frau, deren Leben offenbar aus den Fugen geraten ist und durch einen Sturz vom Hochhaus endete. In der verwahrlosten Wohnung von Nadia Hansen entdeckt Kommissar Bruno Schumann Bilder aus vergangenen, glücklichen Tagen, aber auch Fotos, die darauf schließen lassen, dass das Opfer von einem Stalker terrorisiert wurde. Nach einer Vergewaltigung erlitt Nadia eine Fehlgeburt, die Beziehung zum Verlobten zerbrach. Nadias Mutter, Empfangschefin in einem Hotel, hatte seit Monaten angeblich keinen Kontakt mehr zu ihrer Tochter. Hinweise stärken den Verdacht, der gesuchte Stalker und Sexualstraftäter sei zudem für den Unfalltod von Nadias Vater verantwortlich. Schumann ist sich sicher, jemand hat die junge Frau systematisch zerstört.

Der neue ZDF-Freitagskrimi führt sich als finsterer Thriller ein. Im schwarzen Trenchcoat und mit ernstem Mund wandert der „Kriminalist“ durch Berlins Hochhausschluchten und dunkle Treppenhäuser. Sein kantiges Gesicht wirkt stets konzentriert, seine Fragen und Kommentare sind knapp. Trotz seiner kontrollierten Art lässt er sich von den Fällen persönlich berühren und hält flammende Plädoyers für seine Thesen. Es versteht sich von selbst, dass er stundenlang über den Unterlagen brütet und kein Privatleben hat. Letzteres ist für den Zuschauer sehr angenehm, weil sich Schumann statt mit der nervigen Schwiegermutter oder der kaputten Waschmaschine in den 60 Minuten ganz mit dem Fall befassen kann. Insofern steht „Der Kriminalist“ in der ZDF-Tradition von „Der Kommissar“, „Derrick“ oder „Der Alte“, die sich auch nie mit den schlechten Noten ihrer Kinder herumschlagen mussten.

Berkels Spezialität sind elegante, häufig doppelbödige Figuren wie der Undercover-Offizier in „Das Experiment“ oder der vom Fall Jacob Metzler inspirierte Kommissar in „Eine Frage des Gewissens“. Für seine Rolle als SS-Arzt in „Der Untergang“ erhielt er 2004 den Bambi, und als psychopathischer Familienvater in „Tatort – Schwarzer Advent“ wurde er mit dem Goldenen Gong ausgezeichnet. Im September konnte man ihn bei der ARD zusammen mit seiner Frau Andrea Sawatzki als Psychotherapeuten im Zweiteiler „Helen, Ted und Fred“ sehen. Auch hier war, wie im „Kriminalisten“, Sherry Hormann für die Regie verantwortlich. Sie sagt über Christian Berkel, der 2004 auch in ihrem Film „Männer wie wir“ mitspielte: „Er ist so stark, dass man in der Erzählstruktur immer schlichter werden darf. Er braucht nicht viel, um einfach ‚zu sein‘. Er durchwirkt diese neue Figur. Bei ihm vergesse ich die Trennung zwischen Schauspieler und Kommissar.“

Berkel zur Seite stehen Frank Giering als etwas verträumter Assi im Wollpullover und Anna Schudt als pragmatische Computerspezialistin. Dem Team, das für sechs Folgen den Sendeplatz von „Stollberg“ einnimmt, der laut ZDF trotz wackliger Quoten im nächsten Jahr weiterproduziert wird, ist zu wünschen, dass es eine Chance für Fortsetzungen bekommt. Es müssen ja nicht gleich 97 Folgen wie beim „Kommissar“ sein.

„Der Kriminalist“, Freitag,

ZDF, 20 Uhr 15

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