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LESEN, MÄNNLICH: Rein in Nischen, ran an Männer

Mitten in der Krise wirft Gruner + Jahr drei neue Zeitschriften auf den Markt.

So wirklich passt die Rolle nicht zu Nikolaus Röttger. Der „Financial Times Deutschland“-Redakteur ist jetzt Business Punk und in dieser Funktion wohl so etwas wie der Hoffnungsträger der gesamten Branche. Doch das Einzige, was punkig erscheint an Nikolaus Röttger, ist die fehlende Krawatte um seinen Hals. Aber vielleicht reicht das ja. Röttger verantwortet als Redaktionsleiter „Business Punk“, den neuen Wirtschaftstitel von „Gruner + Jahr“, der heute erscheint. Gemeinsam mit „Business Punk“ wirft der Hamburger Verlag noch „Beef!“, das Kochmagazin für Männer, und „Gala Men“, den männlichen Ableger der „Gala“, auf den Markt. Drei Neugründungen. Mitten in der Krise.

Ob einer wie Röttger sich damit in große Gefahr begibt, bleibt abzuwarten. Gruner + Jahr setzt mit den Neu-Veröffentlichungen vor allem auf einen zunehmenden Trend: die Nische. Während „Stern“ oder „essen & trinken“ fürs Volk ausgelegt sind, setzen die drei jüngsten Titel auf eine spitze Zielgruppe: Männer. Im Fall „Beef!“ und „Business Punk“ gar auf die noch spitzere Zielgruppe „gut verdienende Männer mit Spaß am Lifestyle“, eine außerordentlich werbeträchtige Versammlung. Entsprechend die Heftpreise: „Beef!“ kostet stolze 9,80 Euro, „Business Punk“ sechs Euro und „Gala Men“ ist mit fünf Euro deutlich teurer als die „Gala“ mit 2,60 Euro.

„Bei uns geht es um Wirtschaft jenseits von Umsatzzahlen“, sagt Neu-Punk Röttger. „Wir zeigen das laute, schnelle Leben, das hinter dem Business tobt.“ Doch so selbstbewusst die Präsentation auch ist, der Name für das Magazin ist recht hoch gegriffen. Der Titelstar der Erstausgabe ist ein, die Zunge herausstreckender, Virgin-Boss Richard Branson („Ich breche Regeln“), AC/DC-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg ist einer der „Drei von der Punkstelle“ und auch Oliver Kahn wird aus der Schublade gekramt, um über „taktische Fouls“ und „weggegrätschte Kollegen“ zu reden. Übliche Geschichten in neuer Verpackung also. Aber vielleicht reicht das ja.

Ganz anders „Beef!“, das diesjährige Gewinnermagazin des internen G + J-Ideenwettbewerbs „Grüne Wiese“. Das Magazin „für Männer mit Geschmack“ (Untertitel) ist kein klassisches Kochmagazin, sondern vielmehr Sammelsurium interessanter Geschichten, die irgendetwas mit Essen zu tun haben. Ein Fanzine, im besten Sinne. „Was der ‚Kicker'' für Fußballfans ist, soll ‚Beef!'' für kochende Männer sein“, sagt Alexander Schwerin, Verlagsleiter „G + J Exclusive & Living“. Zu lesen sind in der Debütausgabe Geschichten über das Lieblingslokal des Papstes („Habemus Hunger“) und den bedeutendsten Fischmarkt der Welt („Demnächst Sushi“), in aufwendigen Fotogeschichten gibt es Tipps für scharfe Messer („Tatort Küche“) und gute Salzmischungen.

Für den dritten Titel im Bund ist Peter Lewandowski verantwortlich. Der „Gala“-Chefredakteur und erprobte Männermagazin-Macher („Playboy“, „Maxim“) will mit „Gala Men“ eine Lücke schließen. Aber noch mal: Wieso ausgerechnet jetzt? Angriff ist die beste Verteidigung? Lewandowski will die Neugründung „weder als mutig noch als Angriff“ bezeichnen. Als spannend darf er sie aber auch nicht bezeichnen: „Gala Men“ enthält eine Homestory über ZDF-Nachrichtenmann Steffen Seibert und ein Porträt über Brad Pitt. Solide, ja. Gut geschrieben, ja. Aber neu ist anders. Der Wunschleser von Lewandowski ist „ein aufgeklärter Typ, der in sich ruht und das Leben mit einer natürlichen Form der Selbstverständlichkeit genießt. Er hat seinen eigenen Stil gefunden, ist aber offen für Anregungen und Tipps.“ Everybody’s Darling.

Alle drei Titel sind erst mal sogenannte „One Shots“, Probetitel, die sich erst noch bewähren müssen, bevor sie in Serie gehen. Wie viel herumkommen muss, bleibt noch ein Geheimnis. Peter Lewandowski will bei „Gala Men“ eine endgültige Entscheidung über die weitere Frequenz erst zu einem späteren Zeitpunkt treffen. „Beef!“ habe im Anzeigenmarkt bereits überzeugt, sagt Alexander Schwerin; er kann sich „eine viermalige Erscheinungsweise pro Jahr“ aber gut vorstellen. Auch „Business Punk“-Redaktionsleiter Nikolaus Röttger schweigt sich über die Zukunft aus. „Entscheidend wird sein, wie das ‚Business Punk'' insgesamt ankommt.“

Entscheidend wird auch sein, ob Röttger und Kollegen sich trotz Wirtschafts- und Werbeflaute mit ihren Magazinen halten können. Falls ja, wird keiner mehr über nicht getragene Krawatten oder träge Debütgeschichten reden. Sondern über Erfolg. In der Krise.

Tim Klimeš

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