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Medien: „Liegt der Zuschauer im Bett? Sitzt er? Badet er?“

Das „RTL Nachtjournal“ startet immer um Mitternacht. Ein Gespräch über Lockstoffe, tödliche Langeweile und chancenlose Politiker.

Frau Kronzucker, schade, dass wir Ihre Schuhe nicht sehen können, wenn Sie moderieren.

KRONZUCKER: Gefallen sie Ihnen? Mir wär’s lieber, Ihnen würde unsere Sendung gefallen.

Gibt es einen Kleider-Kodex bei RTL?

KRONZUCKER: Nein. Ich trage Hosenanzüge und Kostüme, weil ich sie mag.

LANG: Ich glaube, eine Nachrichtensendung wie die unsere bedarf eines seriösen Stils. Die Zuschauer nehmen die Botschaft wahr, die mit seriöser Kleidung verbunden ist. Und deshalb, aber natürlich nicht nur deshalb, bin ich froh, dass Susanne Kronzucker so ausgesprochen stilsicher ist.

Wie seriös ist das „Nachtjournal“, einmal abgesehen von Schlips und Kragen?

KRONZUCKER. Das Nachtjournal ist seriös, nicht wegen Schlips und Kragen, sondern unabhängig davon. Wir haben außerdem den Raum, mehr zu bieten als reine Information: Wir haben Platz für Hintergründe, Details und Einschätzungen. Das war von Anfang an so gedacht. Und es hat sich bewährt.

Wie viele Zuschauer haben Sie denn überhaupt, so spät in der Nacht?

LANG: Im Schnitt derzeit rund 1,2 Millionen. Wir haben mehr Zuschauer im Alter unter 50 Jahren als die „Tagesthemen“. Dass wir auch die jüngeren Zuschauer erreichen, freut uns, weil die sich nicht automatisch für Nachrichten interessieren. Wir glauben, dass das auch ein Erfolg unseres Konzeptes ist. Also nicht nur kurze Häppchen zu servieren, sondern viel Hintergrund zu bringen und vor allem aktuell zu sein. Die Zuschauer sollen sehen, dass unsere Nachrichten sie betreffen, wir wollen nicht nach dem Motto präsentieren „Friss, Vogel, oder stirb“.

KRONZUCKER: Wir können nicht einfach die Themen abarbeiten, wie es uns gefällt. Wir müssen weiter gehen als das und die Zuschauer stets von der Entscheidung abhalten, lieber ins Bett zu gehen.

Und wie schafft man das?

KRONZUCKER: Zum Beispiel durch die Mischung der Themen. Da dürfen wir uns keiner Routine hingeben, sondern müssen darauf achten, dass die Leute bei Laune, also bei uns bleiben. Langeweile zu verbreiten, und das auch noch zu so später Stunde, das wäre absolut tödlich.

Was will denn der Zuschauer zur Geisterstunde?

KRONZUCKER: Für Spielereien ist zu dieser Zeit jedenfalls kein Platz. Es gilt Themen zu bieten von Brisanz, von Aktualität, politische Themen müssen über das hinausgehen, was alle anderen schon gemacht haben. Wir müssen andenken, wie es morgen weitergehen könnte. Lassen wir uns zu einer Geschichte ohne größeren Newswert hinreißen, muss sie zumindest pikant oder sehr amüsant sein. Außerdem sollte sich der Moderator klar ausdrücken. Das gilt auch für die Experten, die wir befragen. Wenn wir es nicht schaffen, den Zuschauer vom ersten Augenblick der Sendung an zu packen, dann zappt er weg.

LANG: Wir geben uns Mühe, die Themen, die schon den ganzen Tag über behandelt worden sind, wenigstens aus einem neuen Blickwinkel zu beleuchten. Und wir interessieren uns für alles, was erst im Lauf des Abends passiert. Da müssen wir schnell sein, das ist unsere Chance um Mitternacht.

KRONZUCKER: Wir sind nicht die letzte Sendung am Ende eines Tages, sondern die erste zu Beginn des neuen. Das ist der Vorteil, wenn Sie ab Mitternacht senden.

LANG: Es ist nichts falsch daran, auch mal die Zuschauer mit was Attraktivem am Anfang freundlich in die Sendung hineinzubitten. Heiner Bremer, unser Vorgänger beim „Nachtjournal“, hat da mal einen Satz gesagt, mit dem er recht hat: Man muss die Kirche erst füllen, bevor man predigt.

Darf der Zuschauer bei Ihnen ahnungslos sein, wenn er einschaltet?

KRONZUCKER: Wir wollen und müssen beide Gruppen bedienen: die, die schon etwas wissen vom Tage, und die, die noch nichts wissen.

Kennen Sie Ihre Zielgruppen?

KRONZUCKER: Familien und Eltern zählen nicht zu unserem Kernpublikum, die müssen einfach zu früh ins Bett. Uns sehen Politiker, Manager oder Leute, die nach einem Geschäftsessen oder einer späten Sitzung ins Hotel kommen und sich noch einmal kurz auf den neuesten Stand bringen wollen. Und natürlich alle Arten von Nachtschwärmern.

Ein anspruchsvolles Publikum.

KRONZUCKER: Mich würde schon mal interessieren, in welcher Lage uns zugesehen wird. Liegend auf Betten, sitzend an Schreibtischen, badend? Das wäre spannend zu wissen.

Senden Sie gezielt Lockstoffe aus?

LANG: Die Zuschauer wollen schon von uns überzeugt werden, noch nicht ins Bett zu gehen. Sie wollen das Wichtigste vom Tag erfahren, aber sie wollen auch etwas Neues sehen. Deshalb mischen wir immer auch Geschichten mit rein, von denen wir glauben, dass sie die Konkurrenz nicht hat. Belanglose Geschichten über den Weihnachtsmannsammler aus Litauen – so was hab ich tatsächlich mal gesehen – werden Sie bei uns aber nicht finden. Die Themen müssen für unsere Zuschauer relevant sein.

Es gibt doch sicher Nummern, die immer gehen.

KRONZUCKER: Wirtschaftsthemen, Technik und Trends, das läuft immer.

Da jubeln Ihnen die Männer zu.

KRONZUCKER: Täuschen Sie sich nicht, nicht nur die Männer. Wir haben auch sehr viele weibliche Zuschauer, die sich für diese Themen interessieren.

Wie steht’s mit Politik?

LANG: Wir sind ja ein politisches Magazin. Politik ist für uns eine große Herausforderung, weil sie um Mitternacht keine ganz einfache Übung ist. Wir können damit punkten, wenn wir zeigen, welche konkreten Auswirkungen diese oder jene Entscheidung auf den Einzelnen hat. Wir müssen den Zuschauern zeigen, dass Politik sie betrifft. Wenn wir das nicht hinbekommen, dann laufen sie uns manchmal geradezu weg – so ist das eben nach Mitternacht.

Aber ist Politik nicht viel zu wichtig, um sie nur rein praktisch zu betrachten?

KRONZUCKER: Wir bringen, was gebracht werden muss. Aber wir wollen den Politikern keine Chance geben, ihre üblichen Statements abzulassen. Das können wir uns einfach nicht erlauben.

LANG: Zuschauernah über Politik zu berichten, heißt ja nicht, sie nur unter praktischen Gesichtspunkten zu sehen. Als Nachrichtenmagazin müssen wir informieren und darüber hinaus auch einordnen. Wenn wir es für angemessen halten, sagen wir auch mal klar unsere Meinung.

Können Sie machen, was Sie wollen?

LANG: Unsere Chefredakteure haben Vertrauen zu uns und lassen uns machen. Wir können nicht klagen.

KRONZUCKER: Ein bisschen Frechheit hin und wieder schadet sicher nicht. Und diese Freiheit nehmen wir uns.

Wie sehen Sie es selbst: Sind Sie erfolgreich?

LANG: Wir glauben, eine gute und, ja, eine erfolgreiche Sendung zu machen.

Warum dürfen wir und ein paar Millionen andere, die keine Nachtschwärmer sind, Sie dann nicht ein bisschen früher am Abend sehen?

KRONZUCKER: Eine gute Frage. Aber leider an die Falschen.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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